5. Mai 2023। Obwohl Störe als Überlebenskünstler gelten, sind alle 26 Störarten, die es noch gibt, vom Aussterben bedroht. Grund dafür sind Wehre und andere Querbauwerke in Flüssen. Ein chinesisch-deutsches Forschungsteam legt nun Handlungsempfehlungen zum Schutz der Fische vor.
Erst im Jahr 2020 wurde die 27. Störart, der Schwertstör (Psephurus gladius), für ausgestorben erklärt. Diese einst in China lebende Art verlor den Zugang zu ihren Laichgründen durch Staudämme, allen voran durch den Gezhouba-Damm am Hauptarm des Jangtse, rund 1.600 km von der Mündung entfernt. Dieser Damm hatte weder eine Fischtreppe noch andere Umgehungsmöglichkeiten.
Das Titelbild zeigt einen Europäischen Stör (Acipenser sturic) in einem Aquarium. Dieser Fisch war früher in Deutschland heimisch. Das IGB koordiniert das nationale Wiederansiedlungsprogramm.
Lebensraumverlust durch Querbauwerke
Der Querverbau von Fließgewässern und der damit verbundene Lebensraumverlust ist eine der Hauptursachen für den weltweiten Rückgang des Störs, auch in Deutschland. Störe sind Wanderfische, die weite Strecken zwischen ihren Laichplätzen im Mittel- und Oberlauf von Flüssen und ihren Nahrungsgründen im Unterlauf oder im Meer zurücklegen. Forschende unter Leitung der chinesischen Yunnan Universität, der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und des Leibnitz Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin (IGB) beschreibt in ihren Handlungsempfehlungen, wie an das Störverhalten angepasste Wanderkorridore aussehen müssen.
Die meisten Fischaufstiegsanlagen an Dämmen und Wehren wurden für relativ kleine und schwimmstarke Fischarten gebaut, die kleine Flüsse und Bäche zur Fortpflanzung nutzen, wie beispielsweise Lachse und Meerforellen. Störe laichen erst im Alter von mindestens zehn Jahren und sind dann oft schon über eineinhalb Meter lang, können aber über vier Meter lang werden. Sie leben in großen Flüssen und brauchen viel Platz, um Wanderhindernisse zu überwinden.
„Die Effizienz der meisten konventionellen Fischaufstiegsanlagen – auch wenn sie für Störe modifiziert wurden – war bisher sehr gering, nur wenige Störe nutzen sie“, erklärt Jörn Geßner, der am IGB die Forschungsgruppe für die Wiedereinbürgerung der Störe leitet.
Umgehungsgerinne wie natürliche Flussläufe
Ausreichend dimensionierte Umgehungsgerinne, die die Störe an den Hindernissen vorbeiführen, können als zusätzliche Lebensräume dienen, in denen sich die Störe auch fortpflanzen. Wie solche Umgehungsgerinne beschaffen sein sollten, hat ein internationales Autorenteam aus China, Kanada, Italien, Dänemark und Deutschland gemeinsam beschrieben: Die Umgehungsgerinne sollten hydromorphologisch einem natürlichen Flusslauf nachempfunden und lang genug sein, um für Störe geeignete Gefälle und Strömungsverhältnisse zu bieten. Die Einstiege sollten weit genug vom Wehr entfernt sein, damit die Störe sie finden und nutzen können, während die Ausstiege die Umgehung eines Großteils des Wehres ermöglichen. In der Laichzeit und während der Abwanderung von Laich und Jungfischen sollten bis zu 35 Prozent des verfügbaren Wasservolumens in den Kanal geleitet werden, da die Wanderfische ausreichend dimensionierte Anlagen benötigen, damit genug Strömung vorhanden ist, um den Einstieg zu finden und ausreichend Anreiz, diesen zu nutzen.
Positivbeispiele aus Nordamerika und Russland
Beispiele für naturnahe Umgebungsgerinne, die nachweislich auch schon von Stören genutzt wurden, gibt es am Namakan River in Ontario, Kanada, zur Umgebung des Konstantinovskiy-Damms am Don in Russland sowie am Intake Diversion Dam, wo kürzlich ein 3,4 km langer Seitenkanal zum Lower Yellowstone River gelegt wurde.