31. Januar 2024 Ι Die weltweiten Binnengewässer stehen vor einer zunehmenden Bedrohung durch Sauerstoffmangel, der durch die Erderwärmung beschleunigt wird und eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale in Gang setzt, wie eine internationale Studie mit Beteiligung der TU Bergakademie Freiberg zeigt.
Die Studie wurde in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlicht.
Seen, die einmal von Sauerstoffmangel im Tiefenwasser betroffen waren, sind im darauffolgenden Jahr erneut betroffen. Dies führt zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Lebensbedingungen für Fische und Wirbellose, einer vermehrten Freisetzung von Treibhausgasen und einer Intensivierung der Nährstoffkreisläufe. Das internationale Forschungsteam hat für die Studie erstmals Langzeitdaten von mehr als 600 Seen ausgewertet, hauptsächlich in Nordamerika und Europa.
Entschlüsselung der Sauerstoffmangel-Dynamik und ihre Auswirkungen auf Binnengewässer
Co-Autor Juniorprofessor Maximilian Lau von der TU Bergakademie Freiberg schlussfolgert aus den Daten: „Hat ein See in einem Jahr einen kritischen Sauerstoffgehalt unterschritten, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er im darauffolgenden Jahr von noch intensiverem Sauerstoffmangel betroffen ist.“ Er fügt hinzu: „Obwohl sich dieser problematische Teufelskreis aus dem bisherigen Wissen über Nährstoffdynamik ableiten lässt, konnte unser Team jetzt dank der großen Stichprobe erstmals die Wirkung der beteiligten Prozesse entschlüsseln.“
Mit Daten aus mehr als 100.000 unabhängigen Messkampagnen beleuchtet die Studie den wechselseitigen Zusammenhang zwischen der Wassertemperatur, dem Nährstoffrückhalt im Sediment, der Entwicklung von Planktonalgen und dem Sauerstoffmangel. Dank dieser Erkenntnisse kann das Team die Anfälligkeit der Gewässer für weitere Sauerstoffkrisen vorhersagen. Die Ergebnisse können der Forschung und den Behörden helfen, den Gesundheitszustand der Seen besser zu verstehen und durch gezieltes Nährstoffmanagement zu verbessern.
Die Rolle des GLEON-Netzwerks und die Auswirkungen des Klimawandels auf den Sauerstoffgehalt in Seen
Die für die Studie analysierten Langzeitdaten zum Gehalt an Phosphor, Chlorophyll und Sauerstoff im Wasser stammen aus 656 Seen und wurden von Wissenschaftlern des kollaborativen GLEON-Netzwerks (Global Lake Observatory Network) zur Verfügung gestellt. Das Studienteam war besonders an Daten von Seen interessiert, die bereits Anzeichen von Sauerstoffmangel zeigen. Diese befinden sich häufig in der von Menschen stark geprägten gemäßigten Zone Europas und Nordamerikas. „Die im Rahmen von GLEON ausgetauschten Daten und Fachkenntnisse waren für dieses Projekt von zentraler Bedeutung. Durch die Zusammenarbeit konnten wir die Stärke und Allgegenwart der Sauerstoffmangel-Rückkopplung in über 600 Seen auf fünf Kontinenten charakterisieren“, sagt Hauptautorin Abby Lewis von der US-Hochschule Virginia Tech.
Im Allgemeinen fördern steigende Temperaturen eine Verlängerung der Schichtungsperiode von Seen. Während der Schichtung ist der Wasseraustausch zwischen oberflächennahen, warmen und tiefen, kalten Schichten erschwert. Der Klimawandel erhöht die Dauer und Stabilität dieser sogenannten thermischen Schichtung von Seen, insbesondere durch den immer früher einsetzenden Frühling. Dadurch haben die Abbauprozesse insgesamt mehr Zeit, den begrenzten Sauerstoffvorrat im Tiefenwasser vollständig aufzubrauchen. Zudem fördern steigende Temperaturen die vermehrte Bildung von Algen. Wenn die Algen absterben, werden sie am Boden von Bakterien zersetzt, die dafür Sauerstoff verbrauchen. Im See kommt es dann zu Sauerstoffmangel, insbesondere an den tiefsten Stellen. Anhaltender Sauerstoffmangel führt dazu, dass fast alle höheren Organismen im Wasser absterben.