12. März 2024 Ι In unserer modernen Welt sind Haushaltsgeräte unverzichtbar, aber auch anfällig für Kalkablagerungen durch hartes Wasser. Doch nicht nur im Alltag sind diese Ablagerungen lästig, sondern auch in industriellen Anlagen wie thermischen Kraftwerken stellen sie ein großes Problem dar.
Heisswassertanks, Waschmaschinen und Wasserkocher – jedes Gerät, das mit heißem Wasser in Berührung kommt, ist anfällig für Kalkablagerungen, insbesondere in Gebieten mit hartem Wasser. Für viele ist die Entfernung dieser Ablagerungen im Haushalt lästig, aber in thermischen Kraftwerken stellt sie ein ernsthaftes und kostspieliges Problem dar. Selbst geringfügige Kalkablagerungen, beispielsweise in den Wärmetauschern, können die Effizienz der Anlagen erheblich beeinträchtigen: Eine Kalkschicht von nur einem Millimeter Dicke in den Leitungen des Wärmetauschers kann die Stromproduktionseffizienz um etwa 1,5 Prozent senken. Um diesen Verlust europaweit auszugleichen, müssten zusätzlich 8,7 Millionen Tonnen Steinkohle verbrannt werden. Dies hat negative Auswirkungen auf die CO2-Bilanz, das Klima und verursacht hohe Kosten für die Stromproduzenten.
Spezielle Beschichtung die Anhaftung von Kalk verhindert
Ein Forschungsteam von der ETH Zürich und der Universität Berkeley hat eine vielversprechende Lösung für dieses Problem entwickelt: eine spezielle Beschichtung, die mikroskopisch kleine Rippen aufweist und die Anhaftung von Kalkkristallen verhindert. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht. Angesichts des Mangels an Grundlagen für die Entwicklung kalkabweisender Oberflächen haben die Forschenden unter der Leitung von Professor Thomas Schutzius von der ETH Zürich eingehend untersucht, wie sich einzelne wachsende Kalkkristalle, die umgebende Wasserströmung und die Oberfläche auf mikroskopischer Ebene gegenseitig beeinflussen. Auf dieser Grundlage entwickelte Schutzius’ Doktorand Julian Schmid zusammen mit anderen Teammitgliedern verschiedene Beschichtungen aus verschiedenen weichen Materialien und testete sie im Labor an der ETH Zürich.
Polymer-Hydrogel mit Rippenstruktur: Effektive Lösung gegen Kalkablagerungen
Die herausragendste Beschichtung erwies sich als Polymer-Hydrogel, dessen Oberfläche die Forschenden mit mikroskopisch kleinen Rippen versehen haben, die mithilfe von Fotolithografie hergestellter Formen erzeugt wurden. Die Mikrostruktur des Hydrogels ähnelt natürlichen Vorbildern wie Haischuppen, die ebenfalls eine Rippenstruktur aufweisen und die Bildung von Oberflächenbelägen bei Haien unterdrücken. In Wasserkochern oder Heizkesseln sorgen diese Rippen dafür, dass Kalkkristalle weniger Kontakt zur Oberfläche haben, sich nicht festsetzen können und daher leichter entfernt werden können. Wasser, das über das Hydrogel und durch die Rippenstruktur fließt, spült die Kristalle fort. Obwohl die Beschichtung nicht vollständig verhindern kann, dass sich einige Kalkkristalle bilden, wird durch das kontinuierliche passive Ablösen der mikroskopischen Kristalle vermieden, dass sie zu einer hartnäckigen Schicht zusammenwachsen. Bei den verschiedenen Beschichtungen variierten die Forschenden hauptsächlich den Polymeranteil. Ein niedriger Polymeranteil und ein hoher Wasseranteil führen dazu, dass Kalziumkarbonat-Kristalle schlechter auf der Oberfläche haften.
Optimierung der Oberflächenstruktur für maximale Effizienz
Versuche mit Modellpartikeln aus Polystyrol zeigen, dass die Oberflächenstrukturen der Beschichtung kleiner sein müssen als die Partikel, die sich auf ihr ablagern. Dadurch wird die Kontaktfläche und somit die Adhäsionskraft reduziert.
Julian Schmid erklärt: «Wir variierten die Oberflächenstruktur des Materials, um die grösste Effizienz zu erzielen und führten die Kristallexperimente mit dieser optimalen Strukturgrösse durch.»
Die Experimente zeigen, dass die Hydrogel-Beschichtung äußerst effektiv ist: Bis zu 98 Prozent aller Kalkkristalle mit einer Grösse von etwa 10 Mikrometern, die zuvor auf einer mit Hydrogel beschichteten Oberfläche gewachsen sind, wurden abgetragen. Die Forschenden betonen, dass ihre Lösung umweltschonender und effizienter ist als bisherige Ansätze zur Entkalkung. Dafür werden bis heute teilweise giftige und aggressive Chemikalien verwendet. Das Hydrogel ist hingegen biokompatibel und umweltfreundlich. Die Technik wäre auch skalierbar. Die Beschichtung aufzutragen wäre auf verschiedene Arten möglich, die die Industrie schon heute anwendet.
Auf ihre Entwicklung haben die Forschenden bislang kein Patent erhoben, sondern entschieden sich bewusst für eine Publikation in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Damit steht es allen Interessierten offen, die neue Beschichtung weiterzuentwickeln und nutzbar zu machen.