15. September 2023 Ι Die Versauerung unserer Ozeane nimmt stetig zu. Um diese komplexen chemischen Veränderungen zu veranschaulichen, haben Klimaforscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) farbcodierte Streifen entwickelt. Diese basieren auf weltweiten Beobachtungen der Ozeanversauerung in den letzten vier Jahrzehnten.
Viele Menschen sehen den Klimawandel hauptsächlich als eine Erwärmung der Atmosphäre, die vor allem das Land bedroht. Diese Sichtweise ist jedoch menschenzentriert und nicht umfassend genug.
Ozeane sind stark vom Klimawandel betroffen
Es wird oft übersehen, dass die Ozeane ebenfalls stark vom Klimawandel betroffen sind. Sie nehmen nicht nur einen Großteil der zusätzlichen Wärme auf, die durch die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre entsteht, sondern auch etwa ein Drittel der von Menschen verursachten CO2-Emissionen. Diese CO2-Aufnahme führt dazu, dass die Ozeane saurer werden, was erhebliche Auswirkungen auf das marine Leben hat.
“Trotz dieser tiefgreifenden Veränderungen sind sich viele Menschen nicht bewusst, was derzeit in den Weltmeeren passiert”, sagt Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich.
Er und sein Team möchten dies ändern. Die Frage ist jedoch: Wie kann man den Menschen einen so abstrakten Begriff für einen komplexen Prozess in einer ihnen fremden Umgebung näherbringen?
Webbasiertes Grafik-Tool stellt die Versauerung dar
Die Forscher haben eine Lösung in Form eines webbasierten Grafik-Tools namens «Ozeanversauerung in Streifen» gefunden. Dieses Tool kann die Versauerung in verschiedenen Meeresregionen über die Zeit intuitiv mittels farbcodierter Streifen darstellen. Das Format und das Erscheinungsbild der «Versauerungsstreifen» sind bewusst an die bekannten «Temperaturstreifen» oder «externe SeiteKlimastreifencall_made» des britischen Klimawissenschaftlers Ed Hawkins angelehnt.
«Wir möchten damit die Ozeanversauerung besser sichtbar machen und das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Versauerung neben der atmosphärischen Erwärmung eine weitere Hauptfolge der anthropogenen CO2-Emission ist», erklärt Gruber.
Ein Blick auf die chemischen Prozesse und ihre Folgen
Wenn CO2 im Wasser gelöst wird, bildet sich Kohlensäure, was zu einer Versauerung des Meerwassers führt – der pH-Wert sinkt. Ein Teil des gelösten CO2 reagiert auch mit dem im Wasser gelösten Karbonat, was den Sättigungsgrad des Wassers gegenüber Karbonatmineralien wie Aragonit (dem Baumaterial der Korallen) verringert.
Diese beiden chemischen Prozesse schaden vor allem jenen Meeresorganismen, die Kalkschalen aus Karbonatmineralien bilden, einschließlich verschiedener Planktonarten, Muscheln und Korallen.
«Da diese Lebewesen oft am Anfang der Nahrungskette stehen, sind sie für viele marine Ökosysteme existenziell und damit auch für uns Menschen relevant», sagt Gruber.
Der neue Streifen-Generator der ETH ist öffentlich zugänglich und ermöglicht es den Nutzern, die Veränderung des Säuregrads (pH) oder der Aragonit-Sättigung in über 60 Regionen darzustellen. Wer sich beispielsweise für den Grad der Ozeanversauerung an seinem Urlaubsort interessiert, kann die entsprechende Meeresregion auswählen und die Versauerungsstreifen selbst generieren. Die wissenschaftliche Grundlage für die Versauerungsstreifen bildet ein auf Beobachtungen basierender Datensatz der Ozeanversauerung namens OceanSODA-ETHZ, der fast alle Meeresregionen über die letzten vierzig Jahre (1982 bis 2021) abdeckt. OceanSODA-ETHZ wurde 2021 in einer Arbeit von Grubers Postdoc Luke Gregor entwickelt, der Schiffsmessungen und Satellitendaten mit Hilfe von maschinellem Lernen kombinierte.
Die weltweite Zunahme der Ozeanversauerung: Eine datenbasierte Untersuchung
Mit diesem auf Beobachtungen basierenden Datensatz konnte das Team von Gruber nun die Trends und Treiber der Versauerung untersuchen: In einer Studie in Global Biogeochemical Cycles zeigen die Forscher erstmals anhand von Daten auf, wie sich die Meeresversauerung weltweit in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat.
Die Erstautorin Danling Ma sagt: «Dass die Ozeane CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und versauern, gilt zwar als erwiesen. Doch eine weltweite Zunahme wurde bisher nur unzureichend durch Beobachtungen bestätigt», erklärt die Masterstudentin in Grubers Team. Diese Lücke haben die Forscher nun geschlossen.
«Unsere Ergebnisse bestätigen, dass pH-Wert und Aragonit-Sättigung im gesamten globalen Ozean gesunken sind und dass diese Trends hauptsächlich durch den Anstieg von gelöstem anorganischem Kohlenstoff aus der Atmosphäre bedingt sind», bilanziert Ma.
Die Forschenden können somit eindeutig nachweisen, dass die menschgemachten CO2-Emissionen die fortschreitende Ozeanversauerung verursachen.
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