UFZ-Studie deckt die Abhängigkeit Jordaniens vom illegalen Wasserhandel auf
Wasserknappheit ist ein weltweites Problem, das zu Schwarzmärkten für Trinkwasser und illegalen Wasserentnahmen führt. Eine UFZ-Studie untersucht die Rolle von Wassermärkten in Jordanien und zeigt die Abhängigkeit der Bevölkerung vom illegalen Wasserhandel auf. Die Studie identifiziert Lösungen zur Stabilisierung der Wasserversorgung angesichts des Klimawandels.
16. August 2023 Ι Wasserknappheit ist ein weltweites Problem, das zu Schwarzmärkten für Trinkwasser und illegalen Wasserentnahmen führt. Eine UFZ-Studie untersucht die Rolle von Wassermärkten in Jordanien und zeigt die Abhängigkeit der Bevölkerung vom illegalen Wasserhandel auf. Die Studie identifiziert Lösungen zur Stabilisierung der Wasserversorgung angesichts des Klimawandels.
In vielen Städten weltweit sind Menschen gezwungen, ihr Trinkwasser aus Speichertanks zu beziehen, da die öffentliche Wasserversorgung oft unzureichend ist. Private Anbieter liefern Trinkwasser per Lastwagen, oft aus Grundwasserbrunnen, in die Städte.
„In Jordanien gleicht dieser Markt für Wasserlieferungen per Tankwagen das Defizit des öffentlichen Wasserleitungsnetzes aus”, sagt UFZ-Ökonom Dr. Christian Klassert. “Die offiziellen Daten zu den Brunnenentnahmen für die LKW-Wasserlieferungen spiegeln die Realität nicht wider. Sie liegen deutlich drunter, weil der Schwarzmarkt für Tankwasser bisher nicht quantifiziert werden konnte.”
Welche Rolle die größtenteils illegal gehandelten Wasserlieferungen auf dem jordanischen Wassermarkt konkret spielen, war bislang unklar.
Es ist wichtig, Einblick in die Schwarzmärkte für Wasser zu gewinnen
Wenn private Wassermärkte die Schwächen der öffentlichen Wasserversorgung ausgleichen, besteht für den Staat wenig Anreiz, diese zu verbessern. Allerdings sind die Grundwasservorräte begrenzt. Es ist daher wichtig, Einblick in die Schwarzmärkte für Wasser zu gewinnen, um deren Beitrag zur Wassersicherheit, die Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt sowie mögliche Folgen einer strengeren Regulierung zu verstehen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind Antworten auf diese Fragen dringend erforderlich.
UFZ-Wissenschaftler haben in Zusammenarbeit mit Hydrologen der Stanford University ein sozio-ökonomisches Computermodell des jordanischen Wassersektors entwickelt, das menschengemachten und natürlichen Wasserkreislauf verknüpft. Eine Besonderheit des Modells ist die Simulation des Schwarzmarktes für Wasser, was aufgrund mangelnder Daten eine Herausforderung darstellte. Um die Menge des gehandelten Wassers und dessen Auswirkungen verlässlich modellieren zu können, befragten die Forscher Brunnenbesitzer und Tankwagenfahrer in Jordanien. Die Ergebnisse zeigten, dass 2015 91% der per LKW gelieferten Wassermengen illegal aus Brunnen entnommen wurden.
„Die Bedeutung der illegalen Wasserlieferungen per Tankwagen wurde bislang völlig unterschätzt”, bilanziert UFZ-Forscher Klassert.
Voraussichtlich wird die Bedeutung der Wasserlieferungen per Tankwagen in Zukunft zunehmen
Die Forscher vermuten, dass die Bedeutung der Wasserlieferungen per Tankwagen künftig weiter zunehmen wird.
„Die Abhängigkeit der Haushalte von den Wassertanks wird bis zum Jahr 2050 um das 2,6-Fache steigen, also von 4,6 Prozent der Bevölkerung auf 12 Prozent”, sagt Co-Autor und UFZ-Ökonom Prof. Dr. Erik Gawel.
Wesentliche Gründe für die zunehmende Bedeutung von Wasserlieferungen per Tankwagen sind das hohe Bevölkerungswachstum und die abnehmenden Grundwasservorräte. Gleichzeitig werden steigende Wasserpreise dazu führen, dass ein Teil der Haushalte diese Art der Wasserlieferung nicht mehr nutzen kann. Die durchschnittlichen Entfernungen zwischen Brunnen und Absatzmarkt steigen von 13 auf 20 Kilometer und die Wasserförderung wird immer aufwendiger, wodurch sich der Preis pro Kubikmeter Wasser von drei US-Dollar im Jahr 2016 auf vier US-Dollar im Jahr 2050 erhöhen könnte. Ärmere Haushalte werden dadurch an ihre finanziellen Grenzen stoßen, da der Preis für Tankwasser bereits jetzt fast fünfmal höher ist als der für Leitungswasser. Laut Erik Gawel sind die Preise jedoch nicht grundlos überhöht, sondern spiegeln realistisch die Produktions-, Personal- und Transportkosten wider. Für finanziell schwächer gestellte Bevölkerungsschichten, die in Gegenden mit schlechter öffentlicher Wasserversorgung leben, werden die hohen Wasserpreise in Zukunft zum Problem. Gawel schlägt vor, dass der Staat eingreifen sollte, indem er die staatliche Wasserversorgung verbessert oder den Kauf des Wassers für diese Bevölkerungsgruppen subventioniert.
Unkontrollierte Entnahme wirkt sich auch auf die Grundwasservorräte aus
Die unkontrollierte Entnahme von Trinkwasser hat nicht nur Auswirkungen auf die Gesellschaft, sondern auch auf die Grundwasservorräte. In Gebieten mit hohem Anteil illegaler Brunnen, wie beispielsweise in der Umgebung von Amman und Zarqa, sinkt der Grundwasserstand schnell, teilweise um 3,5 Meter pro Jahr. Brunnen müssen bereits bis zu einer Tiefe von 220 Metern gebohrt werden, um Wasser zu fördern. Im Norden Jordaniens wird das verfügbare Grundwasser laut Modellierungen der UFZ-Ökonomen bis zum Jahr 2100 in einigen Regionen um bis zu 60 Prozent zurückgehen. Die Entnahme von Brunnenwasser für Tankwagen trägt erheblich zu dieser Entwicklung bei und macht in manchen Teilen des Landes ein Drittel des übermäßig entnommenen Wassers aus.
Jordanische Regierung lässt illegale Brunnen schließen
Untersucht haben die UFZ-Wissenschaftler auch, wie der Staat eingreifen kann, um die negativen Auswirkungen des Schwarzmarkts einzudämmen. Möglichkeiten gibt es einige, derzeit lässt die jordanische Regierung beispielsweise illegale Brunnen schließen.
„Das stabilisiert zwar den Rückgang des Grundwasserspiegels, hat aber negative Folgen für finanziell schwächere Bevölkerungsschichten, die abhängig sind von der Trinkwasserzufuhr über die Tankwagen und sich dann das Wasser nicht mehr leisten können”, sagt Co-Autor Prof. Dr. Bernd Klauer, der am UFZ als Wasserökonom zu Wasserknappheits- und Wasserqualitätsproblemen forscht.
Lastwagen müssen immer entlegenere Brunnen anfahren, wodurch die Transportkosten steigen und die Kontrolle der Wassertransporte für die Behörden erschwert wird. Andere Maßnahmen wie der Bau großer Entsalzungsanlagen oder eine stärkere Regulierung der Wasserlieferung für gewerbliche Nutzungen sind ebenfalls möglich. Laut Bernd Klauer wäre die Reparatur der maroden Wasserleitungen, aus denen viel Wasser durch Leckagen verloren geht, sehr effizient. Eine Investition des Staates in die Wasserleitungen könnte die Zunahme der unkontrollierten Grundwasserentnahme bis zum Jahr 2050 auf 19 Prozent drosseln. Die Kombination mit dem Ausbau von Entsalzungsanlagen könnte die Nachfrage nach Tankwasserlieferungen entscheidend eindämmen. Für die UFZ-Ökonomen steht außer Frage, dass der Staat handeln sollte.
„Das Ausmaß der Wasserlieferungen zeigt, wie unsicher der Zugang zu Trinkwasser in Jordanien jetzt schon ist. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung rasant, zumal das Land viele Geflüchtete aus dem Irak und aus Syrien aufgenommen hat. Die Probleme der Trinkwasserversorgung werden also nicht verschwinden, sondern immer drängender”, sagt Christian Klassert.
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