6. Oktober 2023 Ι Am 27. September wurde in Hamburg der 13. ExtremWetterKongress eröffnet. Wissenschaftler:innen ordneten die aktuellen Ereignisse ein, stellten Ergebnisse ihrer Forschungen vor und gingen einen interaktiven Dialog mit der Öffentlichkeit. Im Rahmen des Kongresses stellte der Deutsche Wetterdienst als wissenschaftlicher Partner des ExtremWetterKongresses das neue Faktenpapier „Was wir 2023 über das Extremwetter in Deutschland wissen“ vor.
Ist ein stabiles Klimasystem utopisch?
Der Klimawandel wird aus Sicht der Konferenzteilnehmer:innen nun in großen Teilen ungebremst erfolgen, womit nicht mehr abwendbare massive Veränderungen auf unserem Planeten zu erwarten sind. 2023 stellt nach Ansicht der Expert:innen das Jahr dar, in dem die Entwicklung der extremen Wetterereignisse ein Maß erreicht hat, in dem es keine Möglichkeit mehr der Leugnung des Klimawandels und der menschlichen Ursachen gibt. Neben der dringenden Mahnung zum entschlossenen Klimaschutz mahnen die Wissenschaftler:innen auch zum entschlossenen Handeln im Bereich der Anpassung und den nicht umkehrbaren Folgen einer weiteren globalen Erwärmung.
2023 ist für die Klimaentwicklung auf unserem Planeten eine Wendemarke. Nie zuvor waren die globalen Luft- und Wassertemperaturen so hoch, wie in diesem Jahr. Nie zuvor haben Hitzerekorde und Waldbrände ein solches Ausmaß erreicht wie 2023. Die um 5 bis 6 Grad höheren Wassertemperaturen im Mittelmeerraum haben für Rekordwerte bei der Verdunstung und den nachfolgenden Niederschlägen in Europa und Nordafrika gesorgt. Durch die Zufälligkeiten im chaotischen System der Atmosphäre kam es in Deutschland nicht zu den extremen Hitze- und Dürrephasen, wie wir sie in Südeuropa erlebt haben.
Neben den dringend notwendigen Maßnahmen zum Stopp eines weiteren Anstiegs der Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Atmosphäre sehen die Expert:innen auf dem Kongress die ebenso dringende Notwendigkeit verstärkter Anstrengungen in der Anpassung an die nicht mehr abwendbaren Folgen der massiven globalen Erwärmung. Die Wissenschafter:innen auf dem Extremwetterkongress nahmen die Entwicklungen daher mit größter Sorge wahr. Erstmals halten saisonale Klimamodelle für die Jahre 2024 und 2025 das Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze bei den globalen Temperaturen für möglich.
Erderwärmung führt zu einer raschen Zunahme wetterbedingter Naturgefahren
Tobias Fuchs, Vorstandsmitglied und Leiter des Geschäftsbereichs Klima und Umwelt des Deutschen Wetterdienstes:
„Die schrecklichen Bilder der Unwetterkatastrophen in Griechenland, Bulgarien, der Türkei und in Libyen haben wir alle noch vor Augen. Die internationale Klimaforschung ist sich einig: Jede weitere Erderwärmung führt zu einer raschen Zunahme wetterbedingter Naturgefahren wie zum Beispiel Hitzewellen, extreme Trockenheit, Starkregen oder Stürme und erhöht damit die Risiken für Mensch und Natur. Wir müssen uns deshalb besser auf die katastrophalen Folgen von Extremwetter wie Dürren, Waldbrände, Überflutungen vorbereiten. Wir müssen aber auch deren indirekte Wirkung auf Ernährungssicherheit, Trinkwasserverfügbarkeit und Artenvielfalt im Blick haben. Der Klimawandel hat – und das ist quantitativ belegbar – bei Extremwetter seine Finger im Spiel. Das zeigt unser neuer Bericht „Was wir 2023 über das Extremwetter in Deutschland wissen“.
In Deutschland ist die Jahresmitteltemperatur seit 1881 um etwa 1,7 Grad angestiegen. Seit 1960 war hierzulande jede Dekade wärmer als die vorherige. Im Gesamtzeitraum 1881-2022 wurde es jedes Jahrzehnt 0,12 Grad wärmer, für den Zeitraum 1971-2022 lag die Erwärmungsrate schon bei 0,38 °C pro Dekade. Hier kann man mit Messungen zahlenmäßig belegen, wie die Erderwärmung Fahrt aufnimmt.
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Die Zahl heißer Tage mit einer Maximaltemperatur von mindestens 30 °C ist seit den 1950er Jahren von etwa 3 Tagen im Jahr auf heute im Mittel 9 Tage gestiegen, das heißt auf das 3fache. Am 20. Juli 2022 wurde während einer intensiven Hitzewelle in Hamburg-Neuwiedenthal eine Tageshöchsttemperatur von 40,1 °C gemessen. Die höheren Temperaturen im Sommerhalbjahr bei gleichzeitig abnehmenden Niederschlägen führen dazu, dass die Pflanzen zum einen früher mit der Verdunstung beginnen und zum anderen auch mehr verdunsten können. Das hat in der Summe zur Konsequenz, dass die Böden im Frühjahr schneller und im Sommer stärker austrocknen.
Insgesamt beobachteten unsere Agrarmeteorolog:innen in den vergangenen 10-15 Jahren eine Zunahme trockener Frühjahre und Sommer. Gleichzeitig stellen wir eine Zunahme der Winterniederschläge seit 1881 um 27 % fest. Wärmere Sommer und längere Trockenphasen verstärken auch in Deutschland das Risiko von Waldbränden. Deutschlandweit gemittelt gab es im Zeitraum 1961 bis 1990 rund 5 Tage im Jahr. Im Zeitraum 1991 bis 2020 waren es schon rund 10 Tage. 4 der letzten 5 Jahre waren von erhöhtem Waldbrandrisiko betroffen. Der Sommer 2023 verlief hierzulande bei uns vergleichsweise glimpflich.
Dieser Blick auf einige Aspekte des Klimas, vor allem der Erderwärmung, in Deutschland zeigt: Wir leben mitten in einem menschengemachten Klimawandel mit Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Es ist an uns, das wahrzunehmen und zu handeln – sowohl mit Klimaanpassung als auch mit Klimaschutz.
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