Der Sommer 2021 war durchwachsen: Während es im Juni im Süden Deutschlands durchschnittlich noch rund zwei Grad wärmer war als im langjährigen Mittel, war es gerade im Juli und August deutlich nasser und kälter. Die Durchschnittstemperatur lag um eineinhalb bis zwei Grad unter diesem Mittelwert und regional gab es bis zu doppelt so viel Niederschlag. Was das für den Grundwasserspiegel bedeutet, weiß Professor Harald Kunstmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT): „In den meisten Gebieten in Baden-Württemberg und Bayern hat sich der oberflächennahe Grundwasserspiegel durch den vermehrten Regen stabilisiert. Die tieferen Schichten haben von der Erholung allerdings wenig mitbekommen; hier ist der Wasserstand vielerorts immer noch sehr niedrig.“
Wichtig sind Niederschläge im Winter
Der Grundwasserspiegel teilt sich in die oberflächennahen und die tiefen Stockwerke. Während sich die oberen schnell auffüllen, dauert es deutlich länger, bis das Wasser auch die tieferen erreicht. „Der feuchte Sommer bringt zwar lokale Entspannung, kann das grundsätzliche Defizit aber nicht ausgleichen“, sagt der Hydrologe. Bereits seit 2003 nimmt beispielsweise in weiten Teilen Bayerns die Grundwasserneubildung ab. „Die Grundwasserbildung findet hauptsächlich im Winter statt, wenn die Vegetation ruht. Um die Grundwasservorkommen aufzufüllen, müsste es auch im Winter wieder mehr regnen und schneien.“
Das Verdichten und Versiegeln der Böden in der Landwirtschaft, im Wald und in den Städten verschärften das Problem. „Wir müssen dem Wasser erlauben, wieder besser in den Boden einzusickern“, so Kunstmann.
Um sich künftig regional angepasst auf die verschiedenen Wetterextreme wie Hitzeperioden oder Starkregen einstellen und passende Strategien entwickeln zu können, gelte es, sowohl ihre räumliche als auch zeitliche Verteilung genau in den Blick zu nehmen. „Da sich solche Extreme lokal völlig unterschiedlich auswirken, bringen uns Mittelwerte nicht weiter, und wir müssen genauer in die Regionen hineinzoomen“, sagt der Wissenschaftler.Kunstmann untersucht deshalb anhand von hochauflösenden Modellsystemen, wie sich beispielsweise Klimaveränderungen auf den regionalen Wasserhaushalt der Erde auswirken oder welche langfristigen Entwicklungen zu erwarten sind. „Wir haben Modellsysteme weiterentwickelt, welche die hydrologischen Vorgänge im Gesamtsystem darstellen: vom Grundwasser und oberflächennahen Erdschichten über die Landoberfläche bis in etwa 30 Kilometer Höhe in der Atmosphäre“, erläutert er. So ließen sich nicht nur die Auswirkungen der steigenden Treibhausgase, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen Veränderungen der Landoberfläche, beispielsweise durch großflächige Landnutzungsänderungen, und der Atmosphäre, und damit auch der Niederscläge, verstehen.
Preiswürdige, lösungsorientierte Forschung
Für seine lösungsorientierte Forschung erhielt Harald Kunstmann den Wasser-Ressourcenpreis 2021 der Rüdiger Kurt Bode-Stiftung.