31. Oktober 2023 | In Vorbereitung auf das Bevölkerungswachstum und die Expansion der Halbleiterindustrie hat Dresden eine neue Strategie für die Abwasserinfrastruktur bis 2038 entwickelt. Die Herausforderungen umfassen den Bau neuer Abwasserleitungen, die Erweiterung der zentralen Kläranlage und die Bewältigung steigender Abwassermengen, insbesondere aus der Halbleiterproduktion.
Der städtische Betrieb für Stadtentwässerung hat ein neues Konzept für die Abwasserinfrastruktur von Dresden bis zum Jahr 2038 entwickelt. Ein Hauptaugenmerk liegt auf der Ableitung und Behandlung der Abwässer der Halbleiterindustrie im Norden von Dresden, die sich ausweitet.
Zukunftssichere Abwasserinfrastruktur: Strategien und Herausforderungen
Die Chipproduktion erzeugt erhebliche Mengen an Abwasser, deren Ableitung und Behandlung auf der Kläranlage in Kaditz nur durch entsprechende Ausbaumaßnahmen bewältigt werden kann. Dazu zählt der im Juli 2023 begonnene Bau des Industriesammlers Nord, ein etwa elf Kilometer langer Kanal, der fast ausschließlich zur Ableitung der Abwässer der Halbleiterindustrie dient. Die Herausforderungen auf der zentralen Kläranlage Kaditz sind noch größer. Sie muss erweitert werden. Die Gesamtinvestitionen für deren Erweiterungen und den Erhalt der baulichen Substanz werden sich über die nächsten 13 bis 15 Jahre erstrecken und über 630 Millionen Euro kosten.
Die Dresdner Bürgermeisterin für Umwelt und Klima, Recht und Ordnung, Eva Jähnigen, erklärte während eines Pressetermins im Klärwerk Dresden-Kaditz am 19.10.2023: „Das Abwasserbeseitigungskonzept enthält auch Antworten auf die aktuellen globalen Fragen unserer Zeit. Wie lässt sich der Energiebedarf reduzieren? Wie können wir den Anteil regenerativer Energien bzw. der Eigenenergieerzeugung erhöhen? Wie lassen sich CO2-Emissionen reduzieren, wie entfernen wir Mikroschadstoffe aus dem Abwasser? Klima- und Umweltschutz spielen in der Abwasserbeseitigung eine große Rolle. Das ist mir besonders wichtig. Und: Trotz all dieser Maßnahmen werden wir die Abwassergebühren im Vergleich zu anderen Preissteigerungen sehr stabil halten können.“
Ralf Strothteicher, Leiter des Eigenbetriebes Stadtentwässerung, fügte hinzu: „Jetzt geht es darum, das Abwassersystem für weitere Jahrzehnte zukunftssicher zu gestalten. Deshalb wurde mit ‚Dresden 600‘ ein Strategieprojekt entwickelt, um die Anlagen fit für die Zukunft zu machen. Mit diesem Projekt analysieren wir seit Jahren, wie unsere technische Infrastruktur ausgebaut werden muss, um dem Bevölkerungswachstum und dem Zuwachs der Industrie gerecht zu werden“.
Der Name des Projekts leitet sich von der Perspektive einer Großstadt ab. Während Dresden im Jahr 2010 noch 517.052 Einwohner hatte, waren es Anfang 2023 bereits 569.173. Die Bevölkerung könnte insbesondere durch die bevorstehenden Industrieansiedlungen bis zum Jahr 2035 auf bis zu 600.000 Einwohner ansteigen.
Steigende Industrieabwässer und neue EU-Richtlinien: Lösungen für Dresden
Die Abwassermengen in Dresden sind aufgrund großer Industrieansiedlungen im Norden der Stadt zwischen Hellerau, Wilschdorf und Klotzsche in den letzten Jahren erheblich angestiegen. Dieser Trend wird sich voraussichtlich fortsetzen. Allein die Werke von Globalfoundries, Infineon, Bosch und X-Fab leiten 8,7 Millionen Kubikmeter in das Dresdner Kanalnetz ein, was 93 Prozent der Dresdner Industrieabwässer entspricht. Die Abwassermenge aus der Chipindustrie entspricht der von 250.000 Einwohnern. Mit der Erweiterung von Infineon an der Königsbrücker Straße und dem geplanten Werk des taiwanesischen Chipherstellers TSMC im Rähnitzer Gewerbegebiet wird die Abwassermenge aus der Industrie um bis zu 240 Prozent steigen. Darüber hinaus soll die Schmutzfracht im Abwasser um 80 Prozent und der Stickstoff sogar um 250 Prozent zunehmen.
Ende 2022 wurde ein Entwurf der neuen europäischen Abwasserrichtlinie veröffentlicht.
„Daraus ergeben sich verschärfte Anforderungen an die Abwasserbehandlung“, so Ralf Strothteicher. Die Grenzwerte für Phosphor und Stickstoff sollen weiter gesenkt werden. „Voraussichtlich müssen wir auch eine vierte Reinigungsstufe zur Behandlung von Mikroschadstoffen bauen“, weist er auf eine weitere Konsequenz hin.
Damit könnten Medikamente, Haushalts- und Industriechemikalien aus dem Abwasser entfernt werden. Sowohl die Kläranlage Kaditz als auch das Kanalnetz sollen so ausgebaut werden, dass das System nicht überlastet wird und das Abwasser sowie der zusätzliche Klärschlamm entsprechend der Vorgaben behandelt werden können.
Anpassungen und Investitionen zur Bewältigung der steigenden Abwassermengen
Mit der neuen Infineon-Chipfabrik wäre das vorhandene Kanalnetz überlastet. Deshalb plant die Stadtentwässerung bis 2026 den Bau des Industriesammlers Nord für die Abwässer der Mikroelektronik-Betriebe. Mit diesem rund 70 Millionen Euro teuren Großprojekt soll das rechtselbische Kanalnetz entlastet und Möglichkeiten für die weitere industrielle Entwicklung geschaffen werden. Zukünftig wird das Abwasser direkt von den Gewerbegebieten zur Kläranlage geleitet, wodurch neben dem Altstädter und dem Neustädter ein dritter großer Abfangkanal in Dresden entsteht.
Um das zusätzliche Abwasser im Klärwerk Kaditz ordnungsgemäß behandeln zu können, plant die Stadtentwässerung zwischen 2024 und 2030 Investitionen in weitere Anlagen.
Strothteicher: „Das Herzstück des Klärwerks, die biologische Reinigung, soll ausgebaut werden. Die Belebungs- und Verteilerbecken fassen insgesamt 144.000 Kubikmeter. Geplant sind zwei weitere Belebungsbecken, die 32.000 Kubikmeter fassen“.
Es ist geplant, die vorhandenen sechs Nachklärbecken durch zwei weitere zu ergänzen und in der Schlammbehandlung einen dritten, 35 Meter hohen Faulturm zu errichten, der rund 10.500 Kubikmeter Schlamm fasst.
Neue Anlagen und erweiterte Kapazitäten zur Bewältigung von Abwasser
In einem weiteren Schritt sollen zwischen 2029 und 2036 Anlagen und Gebäude neu gebaut oder ersetzt werden. Am Zulauf zur Kaditzer Kläranlage kommt immer mehr Abwasser an.
„Das ist das hydraulische Nadelöhr unserer Kläranlage“, sagt der Eigenbetriebsleiter. „Deshalb soll eine neue, leistungsfähigere Einlaufgruppe mit Sandfang, Rechen und Pumpwerk auf der früheren Vonovia-Fläche vor dem Klärwerk gebaut werden. Die hatte die Stadt 2019 für die Erweiterung der Kläranlage erworben. Da dortige Grundstücke noch vermietet sind, kann der Bau nicht früher beginnen“, erklärt Strothteicher.
Es ist auch geplant, auf dem Gelände neben den Nachklärbecken die Anlagen für die vierte Reinigungsstufe zu errichten.
Bei starkem Regen wird Mischwasser derzeit in fünf Regenüberlaufbecken zurückgehalten, um zu verhindern, dass es in die Elbe oder andere Gewässer überläuft und diese belastet. Die beiden größten Regenüberlaufbecken im Klärwerk und neben der Waldschlößchenbrücke in Johannstadt fassen rund 36.000 Kubikmeter. Außerdem wird mit elf Steuerbauwerken das Speichervolumen des Kanalnetzes genutzt. In den Regenüberlaufbecken und im Kanal können derzeit rund 95.000 Kubikmeter Abwasser angestaut werden.
„Geplant ist, zwischen 2032 und 2038 unter anderem neun Regenüberlaufbecken in Dresden zu errichten“, kündigt der Eigenbetriebsleiter an.
Sie sollen ein Speichervolumen von 35.000 bis 40.000 Kubikmeter haben.