Bei der Jahreshauptversammlung des Lippeverbandes waren der regionale Hochwasserschutz und der stufenweise Ausbau mit der vierten Reinigungsstufe zentrale Themen. Der Verband betreibt 54 Kläranlagen. Diese sind die entscheidende Schnittstelle zwischen der Kanalisation und den Flüssen und Bächen. Was an der Kläranlage ankommt, muss möglichst rückstandslos gereinigt wieder dem Gewässer zugeleitet werden. Doch selbst moderne Großkläranlagen können Mikroschadstoffe aus Medikamentenresten, Kosmetika und Pflanzenschutzmitteln nicht komplett aus dem Abwasser entfernen.
Anpassungspflichten für Kläranlagenbetreiber
Die Wirkungen von Spurenstoffen auf die aquatische Umwelt, also auf Wasserlebewesen aller Art, werden in Studien als bedrohlich angesehen, die Langzeitwirkung auf den Menschen ist noch nicht erforscht. Da sich insbesondere der Einsatz von Arzneimitteln nicht an der Quelle verhindern lässt und keine politische Einigung hierzu mit der Chemie- und Pharmaindustrie erreicht wurde, kommen auf Betreiber von Kläranlagen weitreichende Anpassungspflichten zu.
Vierte Reinigungsstufe für Kläranlagen
„Konkret wird der Lippeverband in den kommenden Jahren unter anderem mehr als zehn Kläranlagen an Belastungsschwerpunkten mit zusätzlichen Reinigungsstufen ausstatten müssen“, machte Prof. Dr. Uli Paetzel, als Vorstandsvorsitzender des Lippeverbandes deutlich. Eine umfangreiche Analyse auf Grundlage verschiedener Parameter und Strömungswegen ergab, an welchen Kläranlagen eine sogenannte vierte Reinigungsstufe einen besonders hohen Wirkungsgrad für die Lippe hat. Konkret sind zusätzliche Reinigungsstufen für die Kläranlagen Hamm-West und Soest vorgesehen. „Unsere kommunalen Mitglieder können sich darauf verlassen, dass wir Entscheidungen für eine vierte Reinigungsstufe mit Augenmaß und vor dem Hintergrund der ökologisch sinnvollsten und zugleich wirtschaftlichsten Lösungen treffen“, betonte Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand des Lippeverbandes.
Ein grundsätzliches Handeln, so wurde auch deutlich, ist alternativlos: Mit Einführung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) im Jahr 2000 wurde europaweit vorgegeben, alle Flüsse, Seen, Grundwasserkörper und Küstengewässer in einen qualitativ „guten Zustand“ zu überführen – dazu zählen der ökologische und der chemische Zustand. Der Weg zum angestrebten Ziel wird durch Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne aufgezeigt und in drei Zyklen bis 2027 umgesetzt. Der dritte Zyklus der WRRL beginnt 2022 und bedeutet zahlreiche Maßnahmen, die es umzusetzen gilt, um in erster Linie die stoffliche Belastung für die Oberflächengewässer zu reduzieren. Die zusätzlich umzusetzenden Maßnahmen der Wasserrahmenrichtlinie werden sich auf die Entwicklung der Beiträge auswirken. Dafür wird sich die Wasserqualität auch noch mal deutlich verbessern.
Europäische Wasserrahmenrichtlinie muss auch nach 2027 weiter umgesetzt werden
Denn die aktuelle Situation der Gewässer ist kritisch. Während nur 10 Prozent der Oberflächengewässer in Deutschland in einem guten ökologischen Zustand sind, sieht es bei der chemischen Gewässer-Bewertung noch dramatischer aus: Derzeit wird der chemische Zustand aller Fließgewässer in Deutschland als „nicht gut“ eingestuft. Insbesondere vor diesem Hintergrund müssen die Maßnahmen der WRRL als Langzeitaufgaben auch nach 2027 weiter umgesetzt werden.
Neue Auen an der Lippe werden Hochwasserschutz weiter verbessern
„Mit unseren baulichen Maßnahmen an der Lippe und ihren Nebenläufen verbessern wir bereits konstant die Lebensräume am Gewässer, aber auch die Aufenthaltsqualität für die Menschen. Unsere Großprojekte, die wir aktuell im Rahmen des Programms Lebendige Lippe in Haltern, Marl, Hamm und Schermbeck umsetzen, liegen – Stand heute – im Zeit- und Kostenrahmen, was mich sehr freut“, so Bodo Klimpel, Landrat des Kreises Recklinghausen und Vorsitzender des Lippeverbandsrates. Diese Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerökologie und Schaffung von Gewässerauen werden einen weiteren entscheidenden Beitrag zum Hochwasserschutz leisten.
Hochwassertagung für Akteure
Wie die Kommunen und Kreise an der Lippe gemeinsam mit dem Lippeverband den Schutz der Anrainer und die Zusammenarbeit der Krisenstäbe im Hochwasserfall intensivieren können, besprachen die Beteiligten bereits in der vergangenen Woche bei einer Hochwassertagung. Zu der hatte der Lippeverband nach Recklinghausen eingeladen. Über 110 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten online oder vor Ort teilgenommen.
Weitere Informationen: www.eglv.de