19. Juni 2023 Ι Mit der offiziellen Inbetriebnahme des Pumpwerks Bocksheideweg sind Herringer Bach und Hoppeibach abwasserfrei und die letzten „Köttelbecken“ des Lippe-Flusssystems somit Geschichte.
Die Ära der Köttelbecken ist zu Ende
Über 100 Jahre wurde nicht in die Lippe selbst, aber in viele Nebenläufe Abwasser privater Haushalte und Industrieanlagen Abwasser eingeleitet. Der Herringer Bach und der Hoppeibach in Hamm waren die letzten beiden Nebenbachläufe der Lippe im Verantwortungsbereich des Lippeverbandes, die noch Abwasser führten. Als offene Schmutzwasserkanäle führten sie das Abwasser bis zu den Fluss-Klärwerken, wo es gereinigt wurde. Ab heute ist diese Einleitung Geschichte – mit der offiziellen Inbetriebnahme des Pumpwerks Bocksheideweg durch den Lippeverband sind der Herringer Bach und der Hoppeibach abwasserfrei.
“Projekt Abwasserfreiheit” ist ein Multi-Projekt
Nachdem die Zeche Heinrich-Robert in Hamm-Herringen 2011 nach Räumung der Untertageanlagen schloss, machte sie den Weg für den Umbau der Gewässer frei. Bereits seit den 1990er-Jahren liefen beim Lippeverband die Planungen für den Bau unterirdischer Abwasserkanäle entlang der beiden Bäche. Doch zunächst mussten die letzten Bergsenkungen abgewartet werden, bevor man mit dem Bau der Kanäle (insgesamt zehn Kilometer) beginnen konnte. Neue unterirdische Kanäle alleine reichten allerdings nicht: Zum “Projekt Abwasserfreiheit” gehörten ebenfalls der Bau von drei Pumpwerken und vier Regenwasserbehandlungsanlagen.
“Es war ein absolutes Multi-Projekt, um im Herringer Bach und im Hoppeibach wieder klares, sauberes Wasser fließen zu lassen. An mehreren Baustellen wurde gleichzeitig gearbeitet und mehrere Ziele verfolgt: Abwasserfreiheit, Hochwasserschutz und Resilienz gegen Starkregenereignisse. Der heutige Tag markiert daher einen echten Gewinn für die Hammer Bürgerinnen und Bürger”, freut sich Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender des Lippeverbandes.
Der Bergbau hat unsere Region geprägt
Mit dem Druck auf den symbolischen roten Knopf durch Oberbürgermeister Marc Herter und Uli Paetzel wurde das Pumpwerk Bocksheideweg vom Probe- in den Regelbetrieb umgeschaltet und fand dieses Multi-Projekt seinen Abschluss.
“Der Bergbau hat unsere Region jahrzehntelang geprägt und seine Spuren hinterlassen – dazu gehörten auch die Köttelbecken. Dieser Tag steht damit auch dafür, dass wir nach der prägenden erfolgreichen Ära der Kohle in eine nachhaltige Zukunft starten”, betont Marc Herter.
Drei neue Pumpwerke ersetzen fünf alte Anlagen
Nach den Pumpwerken Hoppeistraße und Brüggenkampstraße in Hamm-Wiescherhöfen ist das Pumpwerk Bocksheideweg nun das letzte der drei neugebauten Pumpwerke. Zusammen ersetzen sie fünf ältere Anlagen mit deutlich höheren Energieverbräuchen und weniger leistungsstarken Pumpen.
Die neuen Pumpwerke pumpen zum einen Abwasser in die neugebauten Kanäle und zum anderen entwässern sie die durch den Bergbau abgesunkenen Wohngebiete in Hamm-Wiescherhöfen und -Herringen von Regen- und Grundwasser. Das Besondere: Die neuen Pumpwerke können nun erstmals Abwasser und sauberes Wasser getrennt voneinander pumpen, sodass das Regen- und Grundwasser aus den Poldergebieten nicht unnötig in der Kläranlage gereinigt werden muss. Die Pumpwerke Bocksheideweg und Hoppeistraße sind hochmodern und bieten noch eine Besonderheit: sie arbeiten völlig autark und können aus der Ferne überwacht, gesteuert und gewartet werden.
Die Natur soll übernehmen
Die Abwasserfreiheit wurde erreicht, doch noch sind Herringer Bach und Hoppeibach keine natürlich fließenden Gewässer. Der Lippeverband wird in den nächsten Jahren rund sieben Kilometer der beiden Bachläufe renaturieren. Das Ufer wird naturnah gestaltet und dort, wo der Platz es erlaubt, ein natürlicher schlängelnder Bachverlauf wiederhergestellt. Außerdem wird die Betonsohlschale entfernt.
Dann kann in und um die bisherigen offenen Abwasserläufen wieder die Natur einziehen, Wassertiere und -pflanzen gedeihen, Vögel ihre Brutnester bauen. Nur Fische können nicht von der Lippe aus die Bäche besiedeln. Denn im Mündungsbereich liegt der Herringer Bach aufgrund von Bergsenkungen 14 Meter unterhalb der Lippe und muss durch das drittgrößte Pumpwerk des Lippeverbandes in die höher liegende Lippe gepumpt werden.
Bis die Natur wieder übernehmen kann, müssen allerdings erst die Fördergelder durch das Land genehmigt werden. Der Lippeverband hofft, dass er Ende 2024 mit der ökologischen Verbesserung der beiden Bäche beginnen kann. Bis dahin bleiben die einstigen Köttelbecken eingezäunt, denn von den sehr glatten und rutschigen Sohlschalen geht weiterhin Gefahr aus für Menschen.