Mit seinem Urteil vom 21. Juni 2018 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass Deutschland die Nitratrichtlinie verletzt hat. Dieses Urteil beruhte zwar noch auf der Düngeverordnung von 2006, aber auch die novellierte Düngeverordnung, die seit Juni 2017 in Kraft ist, reichte nach Auffassung der EU-Kommission nicht aus, um die Gewässer ausreichend vor Verunreinigungen durch Nitrat zu schützen.
Im Juni 2019 einigten sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf ein Regelungspaket zur Verschärfung der Düngeverordnung. Dieses wurde der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt. Mit dem Mahnschreiben, das die Bundesregierung in der letzten Woche erhielt, setzt die Kommission eine Frist von acht Wochen, um die vom EuGH festgestellten Mängel vollständig zu beheben.
Das im Juni beschlossene Regelungspaket umfasste folgende Maßnahmen:
- die Reduzierung der Düngung in den sog. „Roten Gebieten“ mit besonders hohen Nitratwerten um 20 % im Betriebsdurchschnitt, zusätzlich gibt es eine Mengen-Obergrenze in Höhe von 170 kg Stickstoff je Hektar und Jahr pro Schlag bzw. für Einzelflächen. Um betriebs- und anbauspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen, sollten Betriebe flexibel entscheiden können, welche Kulturen weiter nach maximalem Bedarf gedüngt werden. Im Gegenzug muss auf anderen Flächen in den besonders belasteten Gebieten weniger gedüngt werden, um die Mengen-Obergrenzen einzuhalten;
- eine bis zu vier Wochen verlängerte Sperrzeit, in denen das Düngen in belasteten Gebieten nicht erlaubt ist;
- größere Abstände zu Gewässern beim Düngen von 10 m bei einer Hangneigung über 15 % und von 2 m bei einer Hangneigung zwischen 5 und 10 %, um das Abschwemmen von Stickstoff in angrenzende Gewässer zu verhindern (gegenüber bislang pauschal 5 m in hängigem Gelände).
Einige Ausnahmen waren vorgesehen, z. B. für extensiv wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe und Ökobetriebe, die so nachhaltig und ressourcenschonend düngen, dass sie nicht zur Gewässerbelastung beitragen. So sollten Betriebe, die durchschnittlich auf ihren Landwirtschaftsflächen weniger als 160 kg Stickstoff je Hektar und Jahr und davon maximal 80 kg mineralisch düngen, von der Reduzierung der Düngung und der Mengen-Obergrenze freigestellt werden. Auch auf Dauergrünland sollte die Düngung nicht reduziert werden müssen, da hier das Auswaschungsrisiko niedriger ist. Außerdem sollte eine Herbstdüngung von Raps möglich sein, wenn mit einer Bodenprobe nachgewiesen wird, dass der Düngebedarf nicht aus dem Bodenvorrat gedeckt werden kann.
Die beiden Bundesministerien teilten mit, den Inhalt des Mahnschreibens prüfen und die Antwort innerhalb der Bundesregierung unter Einbeziehung der Länder abstimmen zu wollen.
Stellungnahmen aus den Verbänden
Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, BDEW, teilte aus Anlass des Mahnschreibens der EU-Kommission mit: „Die Europäische Kommission macht damit nochmal sehr deutlich, dass die bisher von Deutschland vorgesehenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die Nitratbelastung der Böden und Gewässer nachhaltig zu reduzieren. Es ist daher richtig, dass die EU-Kommission den Druck erhöht und auf eine vollständige Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie und des EuGH-Urteils drängt. Die Bundesregierung und die Bundesländer wären gut beraten, endlich die europäischen Vorgaben konsequent umzusetzen. Andernfalls drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Die Leidtragenden wären am Ende die Verbraucher, die für eine nachlässige Landwirtschaftspolitik zur Kasse gebeten würden.“
Hauptkritikpunkte des BDEW an den Vorschlägen von Schulze und Klöckner waren die nach Ansicht des Verbandes zu geringen einzuhaltenden Abstände von Gewässern zu Düngeflächen und die pauschale Absenkung der Düngung in den sogenannten „Roten Gebieten“ um 20 %. Denn es helfe nichts, wenn auf der einen Fläche deutlich weniger gedüngt wird und dafür an anderer Stelle deutlich mehr Dünger aufgebracht wird. Der BDEW fordert für düngeintensive Kulturen wie Weizen, Zuckerrüben und Kartoffeln eine flächenbezogene Reduzierung um 20 %, für Mais sogar um 30 %, die nicht mit Einsparungen auf anderen Flächen verrechnet werden darf.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hatte sich im Juni schon skeptisch geäußert, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichen würden: „Aus Sicht der Wasserwirtschaft ist jedoch zweifelhaft, ob wir diese Ziele erreichen, wenn im gleichen Atemzug zahlreiche Ausnahmen vorgeschlagen werden, die neue Schlupflöcher eröffnen. Am Ende geht es darum, dass die Vorgaben auch vollziehbar sind. Die vorgestellten Beschränkungen werden wirkungslos sein, solange die zuständigen Kontrollbehörden diese nicht überprüfen können. Deswegen fordern wir die Einführung eines deutschlandweit transparenten Düngesystems mit digitaler Datenübermittlung.“