7. Mai 2024 ǀ Nicht nur der Klimawandel sorgt für austrocknende Landschaften: Ein Forschungsteam unter der Leitung des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchte die Folgen vermehrter Wasserentnahme für Landwirtschaft und Viehzucht aus dem Great Ruaha River, einem der größten Flüsse Tansanias. Dieser ehemals permanent wasserführende Fluss fällt mittlerweile über Monate trocken.
Die Forschenden konnten nachweisen, dass Büffel, Zebras und Wasserböcke durch die Trockenheit teils gravierend in ihrem Lebensraum eingeschränkt werden. Einige Pflanzenfresser können den temporären Wassermangel durch ihre Nahrung teilweise ausgleichen, andere kaum oder gar nicht.
Obwohl Nationalparks in ganz Afrika das Ziel haben, Wildtiere vor den direkten negativen Auswirkungen menschlicher Eingriffe wie Buschfleischjagd, Wilderei und Viehzucht zu schützen, gehen die Wildtierbestände in vielen Nationalparks zurück. Der Grund dafür sind unter anderem indirekte menschliche Eingriffe wie die Wasserentnahme aus Flüssen außerhalb der Nationalparks – so auch im Ruaha-Nationalpark in Tansania. Wenn es während der Trockenzeit in afrikanischen Ländern wenig oder gar nicht regnet, versiegen temporäre Wasserquellen wie Pfützen, regengefüllte Senken und Tümpel. Viele Tierarten reagieren darauf, indem sie in die Nähe noch bestehender Gewässer ziehen. Die Auswirkungen der Wasserverknappung auf die Artengemeinschaft im Ruaha-Nationalpark sind in einem Aufsatz in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Wildlife Biology“ beschrieben.
„Wir wollten herausfinden, welche Tierarten am besten mit Wasserknappheit zurechtkommen und welche Überlebensstrategien die Tiere entwickeln“, erklärt Erstautorin Dr. Claudia Schmied, deren Dissertation über die Konsequenzen der Wasserentnahme aus dem Great Ruaha River für die Großtiergemeinschaft vom Leibniz-IZW betreut wurde. „Dafür haben wir uns während dreier Trockenzeiten angeschaut, welche Pflanzenfresser im Ruaha-Nationalpark ihren Standort ändern und dorthin ziehen, wo sie konstante Wasserquellen finden.“
Manche Pflanzenfresser reagierten sensibler auf Wassermangel als andere
„Es gibt Tiere, die den Mangel an Trinkwasser teilweise durch ihre Ernährung ausgleichen können oder über Mechanismen verfügen, ihre Körpertemperatur zu regulieren, um den Wasserverlust über Kot und Urin zu begrenzen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass zum Beispiel Allesfresser wie der Kronenducker und das Warzenschwein ihre Entfernung zur nächstgelegenen Wasserquelle in der späten Trockenzeit deutlich größer werden lassen, also nicht dem Wasser hinterherziehen“, sagt Schmied.
Dies gelte beispielsweise auch für das Impala (Aepyceros melampus) und den Großen Kudu (Strepsiceros zambesiensis), die eine gemischte vegetarische Kost zu sich nehmen. „Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass diese Arten besser mit dem Rückgang des Oberflächenwassers zurechtkommen als zum Beispiel der Afrikanische Büffel“, erklärt Schmied.
Ruaha-Nationalpark
Unabhängiger vom Zugang zu Trinkwasser
Afrikanischer Büffel (Syncerus caffer), Steppenzebra (Equus quagga) und Wasserbock (Kobus ellipsiprymnus) brauchen als Weidetiere einen konstanten Zugang zu Trinkwasser. Allesfresser wie das Warzenschwein (Phacochoerus africanus) und der Kronenducker (Sylvicapra grimmia) haben ein breiteres Nahrungsspektrum und verzehren unterirdische Pflanzen wie Knollen, Rhizome, Früchte und zudem kleinere Tiere – und damit Nahrung, die mehr Wasser enthält als die in der Trockenzeit abgegrasten Weideflächen. Dies macht diese Tierarten unabhängiger vom Zugang zu Trinkwasser.
Um die sich ändernden Standorte der Tiere zu ermitteln, kartierten die Forschenden die Aufenthaltsorte der Tiere in der frühen und in der späten Trockenzeit. Es bestätigte sich die Vermutung, dass manche Tierarten in die Nähe der noch wenigen verbleibenden Wasserquellen am oberen Great Ruaha River ziehen. Am auffälligsten verhielt sich der Afrikanische Büffel, so Prof. Stephanie Kramer-Schadt, Leiterin der Abteilung für Ökologische Dynamik am Leibniz-IZW: „Unsere räumlichen Analysen zeigten, dass sich die Afrikanischen Büffel während der Trockenzeit komplett aus dem Forschungsgebiet zurückzogen.“ Diese Weidetiere sind besonders wasserabhängig, da der Feuchtigkeitsgehalt von Weidegräsern in der Trockenzeit gering ist.
„Die Afrikanischen Büffel im Ruaha-Nationalpark verlieren während der Trockenzeit also große Teile ihres Lebensraums“, ergänzt Dr. Marion East, Wissenschaftlerin in der Abteilung für Ökologische Dynamik am Leibniz-IZW und Betreuerin von Schmieds Dissertation.
Raubtiere ziehen nach
Dass sich zum Ende der Trockenzeit vermehrt wasserabhängige Pflanzenfresser in der Nähe der schrumpfenden Wasserstellen am oberen Great Ruaha River versammeln, hat weitreichende Folgen. Größere Raubtiere wie Löwen und Leoparden ziehen nun ebenfalls in diese Gebiete und vertilgen einen Teil der Bestände dieser Arten. Über die langfristigen Auswirkungen des Wasserverlustes im Great Ruaha River auf die Ökologie des Ruaha-Nationalparks und seine hohe Artenvielfalt ist allerdings bisher noch wenig bekannt. Die zunehmende Ansammlung von Tieren in der Nähe verbleibender Wasserquellen kann die Übertragung von Krankheitserregern fördern, vermuten die Forschenden. Der große Wasserverlust könnte zudem zu einem schnelleren Rückgang der Nährstoffqualität und der Ufervegetation führen, was wiederum die Gesundheit von Pflanzenfressern beeinträchtigen und negative Folgen für deren Bestände haben könnte.
Originalpublikation:
Schmied C, Hofer H, Scherer C, Kramer-Schadt S, East ML (2024): Effect of human induced surface water scarcity on herbivore distribution during the dry season in Ruaha National Park, Tanzania. Wildlife Biology 2024: e01131. DOI: 10.1002/wlb3.01131