28. März 2022 | Die Rückstände von Arzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln, Bioziden und anderen Chemikalien können schon in geringen Konzentrationen negative Auswirkungen auf Gewässer und die Qualität des Trinkwassers haben. Als Teil der Spurenstoffstrategie des Bundes entwickeln derzeit Interessenverbände an „Runde Tischen“ freiwillige Maßnahmen zur Entlastung der Umwelt. Die ersten Ergebnisse wurden am 22. März präsentiert.
Bettina Hoffmann, Parlamentarische Staatssekretärin beim BMUV, und das Spurenstoffzentrum des Bundes haben am 22. März 2022 erste Ergebnisse von drei „Runden Tischen“ zur Spurenstoffstrategie entgegengenommen. „(…) Über das Abwasser gelangen zunehmend Stoffe in unsere Gewässer, die dort nicht hingehören. Chemikalien aus der Industrie sowie Arzneimittel, die sich teilweise nicht natürlich abbauen, belasten zusehends die Ökosysteme in Flüsse, Seen und zusehends auch das Grundwasser. Dass diese Umweltbelastung ein Ende findet, liegt in der Verantwortung der ganzen Gesellschaft. Wichtig ist, den Eintrag von Schadstoffen wo immer möglich direkt an der Quelle abzustellen. Das Spurenstoffzentrum beim Umweltbundesamt soll schon bald zentrale Informationsquelle und Treiberin der Maßnahmen für den Schutz unserer Gewässer werden“, so Hoffmann.
Das Spurenstoffzentrum des Bundes (SZB)
Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes: „Hauptziel des Spurenstoffzentrums ist es, in Zusammenarbeit mit allen Akteuren und Betroffenen, Oberflächengewässer und das Rohwasser für die Trinkwassergewinnung in Deutschland umfassend und vorsorgend zu schützen. Hierzu sind alle Maßnahmen entlang des Lebenszyklus von Spurenstoffen übergreifend zu betrachten. Es muss bereits bei der Herstellung und der Anwendung von Produkten auf Minimierung, Ersatz oder Vermeidung des Einsatzes von Stoffen mit problematischen Umwelteigenschaften geachtet werden.“
Der Eintrag von Spurenstoffen in Seen, Flüsse und schlussendlich in die Meere stellt eine der größten Herausforderungen für den Gewässerschutz dar. Das Problem liegt einerseits in der großen Anzahl dieser Stoffe im täglichen Gebrauch und andererseits darin, dass sie bereits in geringen Konzentrationen Schädigungen bei Wasserlebewesen hervorrufen können. Wesentliches Element der 2016 von BMUV und UBA initiierten Spurenstoffstrategie ist der intensive Dialog mit Stakeholdern aus Industrie, Wasserwirtschaft, Umweltorganisationen und den Bundesländern. Auf Grundlage von freiwilligen Vereinbarungen und Regeln sollen die Einträge von Spurenstoffen in Gewässer verringert werden. Für die Verstetigung der Spurenstoffstrategie wird seit 2021 das Spurenstoffzentrum des Bundes (SZB) im UBA aufgebaut.
Runde Tische helfen, Lösungen im Dialog mit allen beteiligten Akteuren zu erarbeiten
Bereits seit Ende 2019 wurden insgesamt drei stoffspezifische Runde Tische einberufen, die sich an den wichtigsten Spurenstoffen in deutschen Gewässern orientieren: Benzotriazol (Anti-Korrosionsmittel für Metalle, z. B. zum Schutz von Dachrinnen oder in Reinigungstabs für Geschirrspülmaschinen), Diclofenac (Schmerzmedikament) sowie Röntgenkontrastmittel. Schadstoffeinträge in Gewässer lassen sich am effizientesten mindern, wenn die entsprechenden Substanzen nicht bzw. weniger eingesetzt und demnach auch weniger hergestellt werden müssen.
Daher werden im Rahmen der Runden Tische auf Herstellerseite Maßnahmen entwickelt, die die Einträge spezifischer Chemikalien in die Gewässer verringern. Die Runden Tische helfen, die Anwendungsgebiete, Eintragspfade und Risiken für einzelne Spurenstoffe oder Stoffgruppen besser zu verstehen und darauf aufbauend Lösungen im Dialog mit allen beteiligten Akteuren zu erarbeiten. An den Dialogen nahmen Vertreter von Industrieverbänden, der Wasserwirtschaft, der Umweltschutzverbände, der Kommunen sowie der Bundesländer teil.
Veröffentlichungen des Runden Tisches zu Diclofenac
Der Runde Tisch zu Diclofenac verabschiedete eine einvernehmliche Abschlusserklärung. Darin wurde eine Reihe kurz- bis mittelfristig umsetzbarer Kommunikationsmaßnahmen zusammengestellt, die die Hersteller auf den Weg bringen wollen. In den Veröffentlichungen des Runden Tisches werden die Umweltprobleme und Gewässerbelastungen von Diclofenac deutlich dargestellt und die Notwendigkeit einer wesentlichen Reduktion des Eintrages in die Umwelt vermittelt. Da die primäre Eintragsquelle von Diclofenac in die Gewässer dessen Anwendung in Form von Cremes und Salben ist, haben die Hersteller umfassende Informationsmaterialien zur Aufklärung von Ärzten, Apothekern und über Sportverbände erarbeitet, verbunden mit dem eingängigen Slogan „Wischen statt Waschen“. Dies umfasst die Empfehlung an Patientinnen und Patienten, nach dem Auftragen von Diclofenac-haltigen Schmerzsalben, die Hände mit einem Papiertuch abzuwischen und dieses über den Restmüll zu entsorgen. Die Effekte dieser Arbeit sollen nun in bis zu drei Regionen Deutschlands evaluiert werden.
Erste gemeinsame Maßnahmen zu Röntgenkontrastmittel und zu Benzotriazol erreicht
Durch den intensiven, konstruktiven und interdisziplinären Austausch der Stakeholder konnten auch erste gemeinsame Maßnahmen an den Runden Tischen zu Röntgenkontrastmittel und zu Benzotriazol erreicht werden. Für den Rückhalt von Röntgenkontrastmitteln, etwa durch die Einführung von Urinbeuteln und Trenntoilette, werden nun drei bis vier große Umsetzungsprojekte, verteilt auf das gesamte Bundesgebiet, entwickelt. Weiterhin werden Pilotstudien gestartet, die eine spätere Bilanzierung des Erfolgs ermöglichen.
Das Spurenstoffzentrum des Bundes begleitete in Zusammenarbeit mit Expert:innen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI und der IKU Dialoggestalter die drei Runden Tische zu zuvor von einem unabhängigen Gremium als relevante Substanzen eingeschätzte Spurenstoffen. Das Spurenstoffzentrum wird zukünftig die operativen Tätigkeiten an der Spurenstoffstrategie weiterführen. Dazu gehören unter anderem die Organisation und Begleitung weiterer Runder Tische sowie die Unterstützung eines unabhängigen Gremiums zur Relevanzbewertung von Spurenstoffen.