19. Juli 2022 | Der Bundesrat hat am 8. Juli 2022 der Novelle der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV Gebietsausweisung) zugestimmt. Geregelt wird damit, dass insbesondere das Nitratmessnetz in den nächsten Jahren verdichtet wird. Ab 2028 gelten dann einheitliche Regeln für alle Bundesländer.
„(…) Wir gehen auch einen wichtigen Schritt für den Umwelt- und Gewässerschutz, denn vergessen wir nicht: die Nitrateinträge sind vor allem für unser Grundwasser, für die Ostsee und unsere Fischerei ein großes Problem,“ so Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.
Entscheidender Schritt, damit das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingestellt wird
Die EU-Kommission forderte Deutschland im Juni 2021 erneut zu deutlichen Nachbesserungen auf. Dies betraf vor allem die Ausweisung der mit Nitrat belasteten Gebiete, deren Flächenumfang sich gegenüber der Gebietsausweisung aus dem Jahr 2019 deutlich verkleinert hatte. Deutschland drohen im Falle einer weiteren Verurteilung Strafzahlungen in Höhe eines Pauschalbetrages von mindestens 11 Mio. Euro und eines Zwangsgeldes von bis zu rund 800.000 Euro täglich.
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV Gebietsausweisung – AVV GeA) konkretisiert die Vorgaben zur Gebietsausweisung der 2020 geänderten Düngeverordnung (DüngeVO), die ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Aktionsprogramms zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie ist. Die Neufassung sowie die Neuausweisung der belasteten Gebiete nach Anpassung der jeweiligen Landesdüngeverordnungen sind ein entscheidender Schritt, damit die EU-Kommission das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einstellen kann.
Verpflichtungen
Die EU-Kommission hatte die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen an der AVV Gebietsausweisung zuvor bestätigt. Nach dem Beschluss im Kabinett hat nun der Bundesrat die AVV Gebietsausweisung beschlossen. Mit der Novelle der AVV werden die Forderungen der EU-Kommission im Vertragsverletzungsverfahren umgesetzt. So können bei der Gebietsabgrenzung zukünftig keine landwirtschaftlichen Daten mehr berücksichtigt werden (Streichung der sog. Emissionsmodellierung). Die Bundesländer müssen künftig sicherstellen, dass alle belasteten Messstellen innerhalb der mit Nitrat belasteten bzw. eutrophierten Gebiete liegen. Zudem muss die Binnendifferenzierung bundeseinheitlich mit geostatistischen Regionalisierungsverfahren erfolgen. Hierfür sind Übergangsfristen vorgesehen, um den Ländern genügend Zeit zur Verdichtung ihrer Messstellennetze zu geben. Zudem wurde die Berücksichtigung von denitrifizierenden Verhältnissen aufgegriffen, um den Vorsorgegedanken noch stärker zu berücksichtigen.
„Viel zu lange schon sind die Nitratbelastungen in Deutschland zu hoch. Eine Überdüngung der Äcker belastet unser Grundwasser, aus dem Trinkwasser gewonnen wird, schadet den Binnen- und Küstengewässern erheblich und treibt die Klimakrise an. Diese gravierenden Schäden für die Umwelt dürfen wir nicht mehr hinnehmen. Auch das Vertragsverletzungsverfahren zur EU-Nitratrichtlinie dauert schon viel zu lange. Jetzt sind wir endlich einen wesentlichen Schritt vorangekommen,“ sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
Hintergründe
2017 und 2020 gab es große Änderungen des Düngerechts, durch die viele Landwirtinnen und Landwirte immer wieder ihre Bewirtschaftungsweisen ändern mussten. Hintergrund ist die seit 2012 immer wieder geäußerte Kritik der EU-Kommission an der deutschen Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie durch die DüngeVO. Die Nitratrichtlinie hat den Schutz der Grund- und Oberflächengewässer vor Nitrat-Verunreinigungen aus landwirtschaftlichen Quellen zum Ziel und ist Teil eines umfassenden rechtlichen EU-Rahmenwerks zum Schutz der Umwelt. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Juni 2018 im Klageverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Nitratrichtlinie überarbeitete die damalige Bundesregierung die bereits 2017 novellierte Düngeverordnung erneut – und erließ die geänderte Düngeverordnung Ende April 2020. Die EU-Kommission hatte beanstandet, dass die Novelle aus 2017 dem EuGH-Urteil aus 2018 nicht gerecht werde und in der Folge im Juli 2019 das sogenannte Zweitverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Insbesondere hatte die Kommission das äußerst heterogene Vorgehen bei der Ausweisung der mit Nitrat belasteten oder durch Phosphat eutrophierten Gebiete in den Ländern kritisiert. In der Folge erarbeitete eine Bund-Länder-Steuerungsgruppe die AVV Gebietsausweisung, die im November 2020 nach Zustimmung durch den Bundesrat erlassen wurde.
Verbände heißen die neuen Regelungen willkommen
„Die Neufassung der Verwaltungsvorschrift enthält im Vergleich zu den bisherigen Regelungen wichtige Fortschritte. (…) Entscheidend ist nun, dass die neuen Regelungen nicht in der Umsetzung in den Bundesländern verwässert werden. Ansonsten drohen erneut Strafzahlungen durch die EU-Kommission,“ erklärt Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser, in einer Pressemitteilung.
„Die neuen Vorgaben sind ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Schutz unserer Trinkwasserressourcen. Die Ausweisung der sogenannten „roten Gebiete“ wird richtigerweise auf eine breitere Datenbasis gestellt. Mit der Aufnahme des Nitratabbauvermögens des Grundwasserkörpers wird eine wesentliche Forderung des VKU umgesetzt,„ heiß es in einem Artikel auf der Webseite des VKU (Verband kommunaler Unternehmen e. V.).