Der Klimawandel nimmt erheblichen Einfluss auf die Schweizer Seen. Besonders Seen in mittleren Höhenlagen sind gefährdet ihre Eisbedeckung vollständig zu verlieren und sich nicht mehr zweimal im Jahr vollständig zu durchmischen. Ein solche Veränderung hätte grundlegende Folgen für das Funktionieren der Seeökosysteme. Dies zeigt eine aktuelle Modellstudie des Eawag Forschungsinstituts.
Veränderte saisonale Zyklen
Seen unterliegen starken saisonalen Zyklen. In vielen Schweizer Seen in mittleren und hohen Lagen durchmischt sich das Wasser im Frühling und Herbst von der Oberfläche bis zum Grund. Dieser vertikale Austausch beeinflusst viele chemische und ökologische Prozesse. Sauerstoffreiches und nährstoffarmes Oberflächenwasser mischt sich mit dem sauerstoffarmen und nährstoffreichen Wasser vom Seegrund. Gleichzeitig wird die Seetemperatur über die gesamte Tiefe ausgeglichen. Im Winter und Sommer hingegen ist das Tiefenwasser durch eine stabile Schichtung von den Prozessen an der Oberfläche getrennt. Seeökosysteme und das gesamte Nahrungsnetz vom Plankton bis zum Fisch sind an diese saisonalen Schwankungen angepasst.
Auswirkungen des Klimawandels mittels Simulation
Ein Forscherteam rund um Råman Vinnå hat für diese Studie 29 Schweizer Seen entlang eines Höhengradienten von 193 m bis 1.797 m über Meeresspiegel untersucht. Mit dem eindimensionalen physikalischen Seemodell Simstrat simulierten sie die dynamischen Prozesse der Seen. Erstmals konnten Råman Vinnå und sein Team zudem die neuen Schweizer Klimaszenarien (CH2018) nutzen, welche die komplexe Topographie der Alpen berücksichtigen und dadurch das lokale Klima detaillierter darstellen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Seedynamik können damit genauer als in früheren Studien simuliert werden. Drei Zukunftsszenarien wurden verwendet:
- das Worst-Case-Szenario geht von kontinuierlich steigenden Treibhausgasemissionen aus
- in einem mittleren Szenario erreichen die Emissionen um 2050 ihren Höhenpunkt
- das strengste Szenario begrenzt die globale Erwärmung auf 2°C.
Die Simulationsergebnisse zeichnen ein klares Bild: Erwärmt sich das Klima um mehr als 2°C, drohen viele Seen in mittleren Höhenlagen im Lauf des 21. Jahrhunderts ihre Eisbedeckung zu verlieren, etwa der Lac de Joux oder der Klöntalersee. Weniger Eis bedeutet einen erhöhten vertikalen Austausch zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser. Das wirkt dem Aufbau einer stabilen Schichtung im Winter entgegen und verkürzt daher ihre Dauer. Im Sommer hingegen verlängert sich die Dauer der stabilen Schichtung, wodurch das Risiko eines Sauerstoffmangels in tiefen Gewässern steigt. Die längere Schichtung im Sommer begünstigt zudem das Algenwachstum von giftigen Cyanobakterien.
In mittleren Höhenlagen könnten daher viele Seen von einem dimiktischen Mischungsregime mit zweimaliger Durchmischung des Bodenwassers pro Jahr zu einem monomiktischen Regime mit nur noch einer Durchmischung pro Jahr wechseln. Solche Verschiebungen des Regimes haben grundlegende Folgen für die Wärmespeicherung der Seen und für die Sauerstoff- und Nährstoffverteilung. Die Lebensräume vieler Wasserbewohner könnten sich beträchtlich verändern, da sich das Wasser von oben her erwärmt und Sauerstoff weiter unten knapp wird.
Hoch gelegene Seen wie etwa der St. Moritzersee auf 1.768 m bleiben hingegen gemäß Modellstudie unter allen Klimaszenarien dimiktisch, zumindest im 21. Jahrhundert. Interessanterweise erwärmt sich dort das Seewasser zwar stärker und verkürzt sich die Dauer der Eisbedeckung und der stabilen Schichtung im Winter schneller als in tieferen Lagen. Dennoch kommt es im aktuellen Jahrhundert wahrscheinlich zu keinem Kippen der Seen. Auf hochgelegenen Seen wird sich im Winter weiterhin eine Eisschicht ausbilden, sodass eine halbjährliche vertikale Durchmischung erhalten bleibt. Die großen Seen im Schweizer Mittelland, etwa der Zürichsee oder der Genfersee, die schon heute ein monomiktisches Regime aufweisen, werden gemäß der Modellstudie ihre Durchmischungszyklen voraussichtlich behalten.