Sneak-Peak ins Interview
Stellen Sie sich vor, aus Abwasser wird eine wertvolle Rohstoffquelle – und Kläranlagen verwandeln sich in nachhaltige Ressourcenlieferanten. Das war das Ziel zweier EFRE-Projekte: KoalAplan und RoKKA. Im Interview erklärt Dr. Marius Mohr vom Fraunhofer IGB, welche Technologien im Projekt RoKKA entwickelt und getestet wurden.
Herr Dr. Mohr, wie entstand überhaupt die Idee zum Projekt RoKKA?
Marius Mohr: Die Landesregierung von Baden-Württemberg hatte schon im 2019 ihre Bioökonomiestrategie veröffentlicht und im Jahr 2024 kam die Version 2.0. Deren Schwerpunkt liegt in der Gewinnung von Rohstoffen aus sogenannten sekundären Quellen. Für die praktische Umsetzung wurde eine Ausschreibung des Landes mit Unterstützung der EU auf den Weg gebracht. Es gab eine Förderung für Projekte, bei denen biologische Reststoffe nutzbar gemacht werden sollten, also auch solche aus Abwasser und Klärschlamm.
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon gute Erfahrungen aus Projekten mit den Kläranlagen Erbach und Ulm-Steinhäule gesammelt. […] Da das Zeitfenster für die Antragsstellung sehr kurz war, war es für uns praktisch, dass wir die Partner für die Installation der Pilotanlagen schon an Bord hatten.
Wie kompliziert ist es, einzelne Verfahren in einer bestehenden, konventionellen Kläranlage nachzurüsten?
Für die Nachrüstung wird zusätzlicher Platz benötigt, um die neuen Anlagen unterzubringen. Wenn wir den Stickstoff betrachten, für den ich das größte Potenzial der Rückgewinnung sehe, ergibt sich der entscheidende Vorteil, dass die biologische Reinigungsstufe entlastet wird, weil ihre Rückbelastung mit dem Stickstoff durch die 80 – 90 %-ige Entfernung des Stickstoffs aus dem Schlammwasser größtenteils entfällt. Das kommt insbesondere Kläranlagen zugute, die ohnehin schon an ihrer Kapazitätsgrenze arbeiten. Dementsprechend ist die Stickstoffentnahme aus dem Schlammwasser auch keine neue Erfindung, aber die von uns erprobten Membranverfahren wurden bisher relativ selten eingesetzt.
Wenn Zeit und Geld keine Rolle gespielt hätten, was hätten Sie gerne noch untersucht?
Aus meiner Sicht sollte man noch Arbeit in die Optimierung der Vorbehandlung des Schlammwassers stecken. Wir hatten hier nur einen Wurf und haben uns für die Ultrafiltration entschieden. Aber um festzustellen, welches Verfahren am robustesten und am kostengünstigsten ist, wäre es sinnvoll, verschiedene Methoden über einen längeren Zeitraum parallel zu testen. Denn manche Probleme, z. B. mit Ausfällungen, entstehen nicht am ersten Tag. Vorbehandlung ist aber wenig sexy, weil kein vermarktbares Produkt dabei entsteht. Deshalb ist es schwerer, dafür eine Förderung zu bekommen.
Dr.-Ing. Marius Mohr arbeitet seit 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB). Im Jahr 2011 schloss er seine Doktorarbeit ab. Von 2013 bis 2019 leitete er die Gruppe „Bioverfahrenstechnik in der Wasser- und Kreislaufwirtschaft“ am Fraunhofer IGB, bevor er seine jetzige Position als Leiter der Abteilung Wassertechnologien, Wertstoffgewinnung und Scale-up übernahm. Marius Mohr arbeitet in den Bereichen Abwasserreinigung, Wassermanagement, Nährstoffrückgewinnung und Bioökonomie. Zudem ist er Mitglied in der AG „Wasserwiederverwendung für landwirtschaftliche und urbane Zwecke in Deutschland“ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA).