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FS Logoi

Welchen Einfluss hat die Offshore-Wasserstoffproduktion auf die Nordsee?

Eine Studie untersucht erstmals die Auswirkungen von Wasserstoffproduktion mit Windenergie auf See.

von | 16.06.25

Die Abbildung zeigt Modelle von möglichen Produktionsplattformen für Offshore-Wasserstoff: Links ist eine zentrale Produktion auf einer einzelnen Plattform. Rechts ist eine dezentrale Produktion auf einzelnen Windturbinen.
Quelle: Aquaventus Förderverein e.V.

Grüner Wasserstoff gilt als ein elementarer Baustein für die Energiewende. Künftig soll er in Windparks in der Deutschen Bucht produziert werden. Nach aktuellem Stand der Technologie entstehen dabei Abwärme und Sole – beides wird ins Meer eingeleitet. Eine aktuelle Studie des Helmholtz-Zentrums Hereon zeigt erstmals, dass die Abwärme einer 500-Megawatt-Anlage die Wassertemperatur lokal um bis zu 2 Grad Celsius erhöhen kann und damit die Schichtung des Meeres beeinflusst. Die Autoren geben wegweisende Empfehlungen für einen umweltfreundlichen Ausbau der geplanten Offshore-Wasserstoffproduktion in der Nordsee. Die Studie ist kürzlich im Nature-Fachmagazin npj Ocean Sustainability erschienen.

Knapp 80 Prozent der weltweit genutzten Energie stammt derzeit aus fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Gas. Im Zuge der Energiewende sollen diese verstärkt durch umweltfreundliche Energieträger wie klimaneutral produzierten Wasserstoff ersetzt werden. Das deutsche Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) legt den Grundstein, um künftig Wasserstoff mithilfe von Windenergie in der Nordsee zu erzeugen. Angestrebt wird die Installation von Offshore-Wasserstoffanlagen mit einer Kapazität von 10 Gigawatt in Offshore-Windparks in der Deutschen Bucht. Die Technologien werden zurzeit erprobt.

Bislang standen vor allem Fragen nach der technischen Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit im Fokus. Auswirkungen auf die Umwelt wurden bisher nur begrenzt berücksichtigt. Die neue Hereon-Studie analysiert mit Hilfe von eines selbst entwickelten Computermodells erstmals den möglichen Fußabdruck der Offshore-Wasserstoffproduktion in der Nordsee und zeigt, wie der geplante Ausbau umweltfreundlich gelingen kann.

Lokaler Temperaturanstieg um 2 Grad Celsius

Bei der Offshore-Wasserstoffproduktion wird zunächst Meerwasser entsalzt und anschließend durch die sogenannte Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Hierbei entstehen Abwärme und Sole. Beides wird nach dem aktuellen technologischen Stand oberflächennah zurück ins Meer geleitet. Die Autoren der Hereon-Studie legten ihren Berechnungen ein thermisches Verfahren zugrunde, wobei das Wasser über Verdunstung entsalzt wird.

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Das Ergebnis ihrer Modellierungen zeigt, dass im Vergleich zur Sole die Abwärme hierbei den deutlich größeren Einfluss auf das Meerwasser hat. Sie bedingt, dass die Wassertemperatur im Umkreis von 10 Metern um eine 500-Megawatt-Wasserstoffanlage um bis zu 2 Grad Celsius im Jahresmittel steigen kann. Die Forschenden haben das Szenario ausgeweitet und den Einfluss für mehrere nah beieinanderstehende Wasserstoffanlagen mit einer Gesamtkapazität von 10 Megawatt berechnet. Selbst im Umkreis von 1.000 Metern zeigte sich noch ein Temperaturanstieg von 0,1 bis 0,2 Grad Celsius im Jahresmittel. Bei einer Entfernung von 50 Kilometern waren es immer noch 0,01 Grad Celsius.

„Die entscheidenden Temperaturveränderungen treten hauptsächlich lokal auf und haben dort je nach Produktionsgröße einen Einfluss auf die Schichtung des Wasserkörpers“, sagt Erstautor Dr. Nils Christiansen vom Hereon-Institut für Küstensysteme – Analyse und Modellierung.

Die Schichtung ist die vertikale Aufteilung des Meeres in verschiedene Wasserschichten mit unterschiedlicher Dichte, Temperatur und Salzgehalt. Unten befindet sich kälteres, dichteres Wasser mit einem höheren Salzgehalt und vielen Nährstoffen. Darüber liegt wärmeres, leichteres Wasser mit einem geringeren Salzgehalt. Die wärmere Schicht funktioniert wie eine Barriere und beeinflusst auch den Nährstofftransport von unten nach oben.

 

Die Erkenntnisse der Hereon-Studie zeigen, dass sich diese Schichtung verstärkt, wenn die Wassertemperatur an der Oberfläche durch den Eintrag der Abwärme steigt. Das kann den Nährstofftransport verändern und damit auch die Produktivität des Phytoplanktons. Das befindet sich nahe der Oberfläche und bildet die Grundlage für die gesamte Nahrungskette im Meer. Um sich zu vermehren und Photosynthese zu betreiben, benötigt es unter anderem die Nährstoffe aus den tieferen Schichten.

Lösungen für umweltfreundliche Wasserstoffproduktion

Um den Einfluss der Wasserstoffproduktion auf die Schichtung zu minimieren, empfehlen die Autoren der Hereon-Studie, den Eintrag der Nebenprodukte räumlich aufzuteilen, zum Beispiel durch dezentrale Lösungen. Dabei produzieren mehrere kleine Elektrolyseure an verschiedenen Standorten Wasserstoff, statt ein großer Elektrolyseur auf einer einzigen Plattform. Außerdem sei es sinnvoll, den Eintrag über die Wassersäule zu verteilen, von oberflächennah bis zum Meeresboden oder die Abwärme durch technologische Lösungen zu reduzieren.

„Unsere Erkenntnisse helfen, die Auswirkungen der Erzeugung von grünem Wasserstoff auf die Meere besser zu verstehen und frühzeitig Lösungen für eine nachhaltige und naturverträgliche Energiewende auf See zu entwickeln”, sagt Nils Christiansen und regt an: „Jetzt sind weitere Studien nötig, um andere Technologien wie chemische Verfahren zu untersuchen sowie die genauen Auswirkungen auf Ökosysteme.”

Forschung für eine Welt im Wandel

Das Ziel der Wissenschaft am Helmholtz-Zentrum Hereon ist der Erhalt einer lebenswerten Welt. Dafür erzeugen rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wissen und erforschen neue Technologien für mehr Resilienz und Nachhaltigkeit – zum Wohle von Klima, Küste und Mensch. Der Weg von der Idee zur Innovation führt über ein kontinuierliches Wechselspiel zwischen Experimentalstudien, Modellierungen und künstlicher Intelligenz bis hin zu Digitalen Zwillingen, die die vielfältigen Parameter von Klima und Küste oder der Biologie des Menschen im Rechner abbilden. Damit wird interdisziplinär der Bogen vom grundlegenden wissenschaftlichen Verständnis komplexer Systeme hin zu Szenarien und praxisnahen Anwendungen geschlagen. Als aktives Mitglied in nationalen und internationalen Forschungsnetzwerken und im Verbund der Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt das Hereon mit dem Transfer der gewonnenen Expertise Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft.

Wasserstoffforschung am Hereon

Am Hereon widmen sich mehrere Fachbereiche der Erforschung von grünem Wasserstoff. Am Institut für Wasserstofftechnologien entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Metallhydride zur effizienten Speicherung des Gases und setzen sich mit der Nutzung von Wärme in diesem Kontext auseinander. Am Institut für Funktionale Materialien für Nachhaltigkeit am Hereon-Standort in Teltow entwickeln Forschende ein “Künstliches Blatt”, das Grünen Wasserstoff nach dem Vorbild natürlicher Prozesse produziert.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Nils Christiansen
Institut für Küstensysteme – Analyse und Modellierung
nils.christiansen@hereon.de
Originalpublikation

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

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