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Vom Klärschlamm zum Pflanzendünger

Die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser und Klärschlamm spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherung der zukünftigen Versorgung. Die TU Braunschweig treibt diese Rückgewinnung mit ihrem Projekt „P-Net“ voran.

von | 05.07.24

Struvit aus der Struvit-Fällung des Klärwerks Steinhof, Braunschweig.
Quelle: Hooman Mohammadi, Andreas Kolb/ISWW, TU Braunschweig
Struvit aus der Struvit-Fällung des Klärwerks Steinhof, Braunschweig.

Klärschlamm ist nicht nur Abfall, sondern auch eine ergiebige Phosphorquelle. Rund 60.000 Tonnen Phosphor enthalten die rund zwei Millionen Tonnen Klärschlamm, die jährlich in deutschen Kläranlagen anfallen. Daraus könnten rund 40 Prozent des Phosphorbedarfs für Mineraldünger gedeckt werden. Bislang wurde der Schlamm jedoch meist verbrannt, die phosphorreiche Asche entsorgt. Teilweise wurde der Klärschlamm auch als Dünger auf die Felder ausgebracht. Mit der Novellierung der Klärschlammverordnung hat die Bundesregierung 2017 auch die Verwertung neu geregelt. So müssen Betreiber von Kläranlagen spätestens ab 2029 Phosphor aus dem Klärschlamm oder der Klärschlammverbrennungsasche zurückgewinnen und recyceln. Eine landwirtschaftliche Ausbringung, wie in Braunschweig seit Jahrzehnten üblich, ist dann ebenfalls nicht mehr möglich.

Ein „Betriebsproblem“ der Kläranlagen

Die Anlage zur Struvitfällung auf dem Klärwerk Steinhof in Braunschweig.

Die Anlage zur Struvitfällung auf dem Klärwerk Steinhof in Braunschweig. (Quelle: Thomas Dockhorn / ISWW, TU Braunschweig)

Hier setzt das Verbundprojekt „P-Net“ an, das von der TU Braunschweig koordiniert wird. Die Forschenden verfolgen das Phosphor-Recycling auf der sogenannten Struvit-Schiene. Bei diesem Verfahren werden durch Fällung und Kristallisation kristalline Phosphorprodukte hergestellt, insbesondere Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit). Dabei war Struvit zunächst ein Nebenprodukt oder vielmehr ein „Betriebsproblem“ der Kläranlagen, das bei hohen Konzentrationen von Ammonium, Phosphat und Magnesium entsteht. Die Struvitkristalle führen häufig zu Verkrustungen, unter anderem an Rohrleitungen, Wärmetauschern und Ventilen, und damit zu Störungen im Betrieb. Deshalb wurden Verfahren entwickelt, um das Struvit gezielt zu fällen und damit besser kontrollieren zu können. Auf den Kläranlagen in Gifhorn und Braunschweig haben die Anlagenbetreiber solche Verfahren bereits installiert.

Ziel von „P-Net“ ist es, diese Anlagen zu optimieren. Denn bislang lassen sich mit der Struvitfällung zwischen fünf und 30 Prozent Phosphor aus dem Klärschlamm zurückgewinnen. Damit die Anlagenbetreiber den gesetzlichen Grenzwert von unter zwei Prozent Phosphor in der Trockenmasse des Faulschlamms einhalten können, ist das zu wenig.

„Deshalb wollen wir die Struvit-Schiene so weit ertüchtigen, dass sie in wirtschaftlicher Betriebsweise künftig auch die Anforderungen der Klärschlammverordnung erfüllt. Das heißt, wir intensivieren den Prozess, um möglichst so viel Phosphat aus dem Klärschlamm herauszuziehen, dass der Grenzwert an Phosphor im Schlamm, der noch gestattet ist, eingehalten werden kann“, erklärt Projektleiter Professor Thomas Dockhorn vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TU Braunschweig.

Ein solches Verfahren hat der Wissenschaftler bereits vor fast 20 Jahren entwickelt und sich damals auch patentieren lassen. Je nach Anlagenbetrieb können so bis zu 70 Prozent des Phosphats aus dem Klärschlamm herausgelöst werden. Im Unterschied zu anderen Verfahren, die Phosphat aus Klärschlamm oder Klärschlammasche zurückgewinnen, erfolgt die Rücklösung hier rein biologisch und benötigt keine weiteren Betriebsmittel.

Vorhandene Technik der Kläranlage wird genutzt

In Braunschweig ist es von besonderem Vorteil, dass die vorhandene Verfahrenstechnik durch Umnutzung für die neue Verfahrensstufe verwendet werden kann, sodass die Anlagenbetreiber hohe Investitionen vermeiden können. Hierzu nutzen die Projektpartner vom Abwasserverband Braunschweig und der Stadtentwässerung Braunschweig einen der drei Faulbehälter mit 2.100 von insgesamt 11.000 Kubikmetern für die sogenannte biologische Phosphor-Remobilisierung.

Das Projekt „P-Net“ wird über fünf Jahre bis Mitte 2025 mit rund 3,46 Millionen Euro gefördert. Davon entfallen 924.000 Euro auf die TU Braunschweig. Projektpartner im Verbund sind das Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TU Braunschweig, das Institut für sozial-ökologische Forschung, das Julius Kühn-Institut, der Abwasserverband Braunschweig, die Stadtentwässerung Braunschweig GmbH, der Abwasser- und Straßenreinigungsbetrieb Stadt Gifhorn, die PFI Planungsgemeinschaft GmbH & Co. KG und die SF-Soepenberg GmbH.
Die Bundesregierung hat die Rückgewinnung von Phosphor im Deutschen Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess II) als wichtigen Baustein zur Etablierung einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft verankert und mit der im Oktober 2017 in Kraft getretenen Novellierung der Klärschlammverordnung die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Ziel der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Maßnahme Regionales Phosphor-Recycling (RePhoR) ist es, durch innovative wirtschaftliche Lösungen zum regionalen P-Recycling einen Beitrag zur Umsetzung der neuen Klärschlammverordnung zu leisten. Durch die damit verbundene verstärkte Nutzung von Sekundärphosphor aus der Kreislaufwirtschaft sollen der Verlust von Phosphor und die Abhängigkeit Deutschlands von Phosphorimporten deutlich reduziert werden.

War in Braunschweig die bisherige Verfahrensführung auf die Rückgewinnung von bis zu einer Tonne Struvit pro Tag ausgelegt, sollen es künftig mit dem optimierten Verfahren rund zwei Tonnen sein. „Das ist nicht nur deshalb toll, weil es eine verfahrenstechnische Alternative zur Phosphor-Rückgewinnung aus der Asche sein kann, sondern weil wir auch die vorhandene Anlagentechnik nutzen können“, freut sich Thomas Dockhorn. So könne das Phosphat direkt auf der Kläranlage zurückgewonnen und weiterhin regional in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Auch für den Abwasserverband Braunschweig wäre das ein großer Erfolg. „Die Landwirte des Abwasserverbands Braunschweig könnten mit dem so zur Verfügung stehenden P-Dünger die Düngewirkung des Klärschlamms substituieren und müssten nicht auf mineralischen Dünger zurückgreifen“, ergänzt Dr. Franziska Gromadecki, Geschäftsführerin des Abwasserverbands Braunschweig, der Eigentümer der Kläranlage Braunschweig ist.

Zugelassen für den Ökolandbau

Was zurückbleibt, ist einerseits Klärschlamm mit geringem Phosphorgehalt und andererseits ein Produkt mit hoher Düngewirkung. Projektleiter Dockhorn nutzt Struvit selbst für seine eigenen Pflanzen im Institut und zu Hause: „Das ist ein hervorragender Langzeitdünger, der mindestens die gleiche Düngewirkung hat wie ein herkömmlicher Mineraldünger.“ Die weißen Kügelchen, die der Wissenschaftler seinen Pflanzen verabreicht und die bei der Fällung entstehen, müssen für die Landwirtschaft allerdings noch aufbereitet werden. In dieser Form sind sie zu klein bzw. zu unregelmäßig, um sie mit den Landwirtschaftsmaschinen auf die Felder zu bringen. Der Projektpartner Soepenberg standardisiert den Dünger und verarbeitet ihn unter anderem zu Pellets. In großmaßstäblichen Feld-Versuchen wird der erzeugte Struvit-Dünger durch das Julius-Kühn-Institut bereits auf dem Acker getestet. Als EU-Düngemittel ist Struvit inzwischen auch für den ökologischen Landbau zugelassen.

Auch andere Anlagenbetreiber sind dabei, ähnliche Verfahren zur Struvitfällung großtechnisch umzusetzen. Um das Phosphorrecycling über die Struvit-Schiene bundesweit voranzutreiben, hatten die P-Net-Projektpartner kürzlich zu einem Erfahrungsaustausch nach Braunschweig eingeladen. Für Professor Dockhorn ist das ein wichtiger Schritt, denn bisher bevorzugen viele Anlagenbetreiber noch den Weg über die Verbrennung, bei der der Klärschlamm komplett verbrannt und der Phosphor anschließend aus der Asche herausgelöst werden soll.

„Hierzu wollen wir eine Alternative anbieten“, sagt der Wissenschaftler. „Deshalb wollen wir uns vernetzen und gemeinsam zeigen, dass unser Verfahren der Struvitfällung funktioniert, damit es Nachahmer findet“, sagt Dockhorn. „Um ein echtes Struvit-Düngemittelsegment zu etablieren, braucht es eine kritische Masse.“

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