Forschende der ETH Zürich haben eine neue Theorie zur Entstehung des Lebens auf der Erde aufgestellt. Im Fokus stehen dabei riesige, abflusslose Natronseen, die durch ihre besondere Chemie möglicherweise die perfekten Bedingungen für die ersten biochemischen Prozesse boten.
Phosphor – das seltene, aber essenzielle Element
Neben Kohlenstoff und Stickstoff ist Phosphor ein zentrales Element für das Leben, da er in essenziellen Molekülen wie DNA, RNA und ATP vorkommt. Doch gerade Phosphor war auf der jungen Erde ein knappes Gut. Seine geringe Verfügbarkeit stellt Forschende seit Langem vor ein Rätsel: Wie konnten trotz dieses Mangels die notwendigen Konzentrationen für die Entstehung von Leben erreicht werden?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, führten Wissenschaftler:innen Laborversuche durch. Dabei zeigte sich, dass präbiotische chemische Prozesse extrem hohe Phosphorkonzentrationen benötigen – bis zu 10.000-mal mehr, als in natürlichem Wasser üblicherweise vorkommt.
Mono Lake als geochemisches Modell
Der Erdwissenschaftler Craig Walton von der ETH Zürich hat eine mögliche Antwort gefunden. Er untersucht im Rahmen eines Nomis-Stipendiums am Center for Origin and Prevalence of Life geochemische Bedingungen der frühen Erde. Laut seiner Theorie könnten große Natronseen, die keinen Abfluss haben, solche hohen Phosphorkonzentrationen ermöglicht haben.
„Solche Seen geben nur durch Verdunstung Wasser ab. Dadurch bleibt der Phosphor im Wasser zurück, anstatt dass er durch Flüsse und Bäche abgeführt wird“, erklärt Walton.
Ein prominentes Beispiel ist der Mono Lake in Kalifornien. Er ist etwa doppelt so groß wie der Zürichsee und weist konstant hohe Phosphorkonzentrationen auf – ideale Bedingungen für Mikroorganismen.
Warum Größe entscheidend ist
Nicht jeder Natronsee erfüllt die Voraussetzungen.
„Sobald sich Leben in ihnen entwickelt, würde ihr Phosphorvorrat schneller zur Neige gehen, als er wieder aufgefüllt wird. Dies würde sowohl die chemischen Reaktionen als auch das sich daraus entwickelnde Leben im Keim ersticken“, betont Walton.
Entscheidend ist daher die Größe des Sees. Große Natronseen können mit ihrem konstanten Phosphorgehalt sowohl präbiotische Reaktionen als auch frühes Leben über längere Zeiträume hinweg unterstützen. Ein ständiger Zufluss phosphorreichen Wassers und das Fehlen eines Abflusses ermöglichen eine dauerhafte Anreicherung dieses lebenswichtigen Elements.
Neues Kapitel in der Ursprungsgeschichte des Lebens
Die neue Theorie widerspricht der weitverbreiteten Vorstellung, dass das Leben in kleinen, flachen Tümpeln entstand – eine Hypothese, die Charles Darwin einst formulierte. Stattdessen könnten riesige Natronseen mit ihrem speziellen chemischen Milieu eine zentrale Rolle gespielt haben.
„Diese neue Theorie hilft dabei, ein weiteres Stück des Rätsels um den Ursprung des Lebens auf der Erde zu lösen“, sagt Walton.
Die Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht und liefern faszinierende Einblicke in die geochemischen Bedingungen der frühen Erde.