Sind die Haie inzwischen so von den menschlichen Einflüssen geprägt, dass sie sich mit Kokain aufputschen? Es scheint beinahe so: Die NZZ (Neue Züricher Zeitung) berichtete, dass dreizehn Scharfnasenhaie, die von Fischern vor Rio de Janeiro gefangen wurden, überraschenderweise Kokainrückstände in ihren Leber- und Muskelgeweben zeigen.
Kokain im Meer: Die menschlichen Spuren im Haifleisch
Rachel Ann Hauser-Davis und Enrico Mendes Saggioro vom brasilianischen Oswaldo Cruz Forschungsinstitut haben die Organe von Haien untersucht und sind überzeugt, dass diese Tiere die Auswirkungen des menschlichen Kokainkonsums in der Metropole Rio widerspiegeln. Kokain und andere Drogen gelangen über menschliche Ausscheidungen und illegale Drogenlabors in das Abwasser, das vielerorts nicht in Kläranlagen aufbereitet wird. Viele Drogen und Wirkstoffe aus Medikamenten werden in den meisten Kläranlagen weltweit nicht herausgefiltert.
Es ist auch möglich, dass Schmugglerdrogen von Meeresbewohnern aufgenommen werden, obwohl dies laut Meeresforschern selten vorkommt, da die Päckchen nicht nach Beute riechen oder schmecken. Wahrscheinlicher ist, dass sich solche Päckchen im Laufe der Zeit auflösen. Mehrere Hinweise sprechen für Abwasser als Hauptquelle der Kontamination. Alle untersuchten Scharfnasenhaie zeigten Spuren von Kokain und dessen Abbauprodukten, obwohl sie nicht am selben Ort oder Tag gefangen wurden. Die gefundenen Mengen waren nur ein Tausendstel der Dosis, die Menschen konsumieren, was auf keine akute Vergiftung hinweist.
Zusätzlich sind die von Kokain betroffenen Haie vor Rio kein Einzelfall. Im März dieses Jahres wurde Kokain in Sedimenten vor der Bay of Santos nahe São Paulo gefunden, und die Kokainkonzentration im Meerwasser war vergleichbar mit dem Koffein, das täglich konsumiert wird. Vor der britischen Küste in Portsmouth wurden Kokain und andere Drogen in Krabben, Garnelen, Seewürmern und Muscheln entdeckt.
Wie Drogen die Küstentiere beeinflussen
Alle Tiere, die an einem festen Standort in Küstennähe leben, sei es, weil sie wie Muscheln festgewachsen sind oder in Riffen und auf dem Meeresboden wie Krabben und Scharfnasenhaie hausen, sind kontinuierlich dem menschlichen Abwasser und den darin enthaltenen Drogen ausgesetzt. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich diese Drogen auf die Tiere auswirken: Wird der Hai unter dem Einfluss von Kokain besonders aggressiv oder blitzschnell? Oder bewegt sich die Krabbe völlig aufgedreht entlang des Riffs?
«Ehrlich gesagt, wir wissen das noch nicht», erklären die Forscher vom Cruz-Institut.
Es gibt bislang nur wenige Studien über wildlebende Tiere in von Kokain belasteten Gewässern. Die Scharfnasenhaie vor Rio sind die ersten Haie, bei denen Kokain nachgewiesen wurde. Als nächster Schritt ist geplant, die Gehirne dieser Haie genauer zu untersuchen, um mögliche Veränderungen festzustellen, die auftreten könnten, wenn ein Tier sein gesamtes Leben lang Drogen aufnimmt.
Es gibt allerdings einige Untersuchungen, in denen andere Wassertiere im Labor denselben Kokain- oder Methamphetamin-Konzentrationen wie im Abwasser gezielt ausgesetzt wurden. Und diese Analysen liefern keine beruhigenden Informationen.
Kokain- und Drogenwirkungen auf Meereslebewesen: Von Zellschäden bis Abhängigkeit
Auch die Haie vor Rio könnten gesundheitliche Probleme entwickeln und eine Gefahr für Menschen darstellen – jedoch nicht durch gesteigerte Aggressivität. Die Gefahr liegt vielmehr darin, dass Haie eine begehrte Beute sind. Menschen könnten beim Verzehr dieser Haie das Kokain und andere Drogen sowie Medikamentenwirkstoffe aufnehmen, die die Haie zuvor durch Abwasser aufgenommen haben.