24. Juni 2024 ǀ Der Klimawandel hat weitreichende und oft unterschätzte Auswirkungen auf das tägliche Leben von Frauen in Entwicklungsländern, insbesondere in Haushalten ohne Zugang zu fließendem Trinkwasser.
Die Zeit, die Frauen in Haushalten ohne Trinkwasseranschluss mit Wasserholen verbringen, könnte infolge des Klimawandels bis 2050 um bis zu 30 Prozent steigen, so das Ergebnis einer neuen Studie, die in Nature Climate Change veröffentlicht wurde. Aufgrund höherer Temperaturen könnte sich der Zeitaufwand für das Wasserholen in Regionen Südamerikas und Südostasiens sogar verdoppeln. Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben die erheblichen Wohlstandsverluste ermittelt, die sich daraus ergeben könnten, und betonen, dass Frauen besonders von den sich ändernden Klimabedingungen betroffen sind.
Klimawandel erhöht Zeitaufwand für Wasserholen erheblich
Derzeit haben weltweit 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, wobei die Verantwortung für das Wasserholen in der Regel bei Frauen und Mädchen liegt.
„Der Klimawandel führt zu steigenden Temperaturen und verändert die Niederschlagsmuster. Das wirkt sich auf die Verfügbarkeit von Wasser aus. Unsere Studie zeigt, dass die Zeit, die Frauen in Haushalten ohne fließendes Wasser mit Wasserholen beschäftigt sind, in fast allen untersuchten Regionen durch den Klimawandel steigen wird“, sagt Studienautor Robert Carr, Gastwissenschaftler am PIK.
Im Durchschnitt verbrachten Frauen in Haushalten ohne fließendes Wasser im Zeitraum von 1990 bis 2019 weltweit täglich 22,84 Minuten mit dem Wasserholen, wobei die Spanne von 4 Minuten in Teilen Indonesiens bis zu 110 Minuten in Regionen in Äthiopien reicht.
„Verglichen mit diesen Zahlen, werden Frauen bis 2050 in einem Szenario mit hohen Emissionen bis zu 30 Prozent mehr Zeit pro Tag für das Wasserholen aufwenden müssen. Dieser Anstieg kann auf 19 Prozent reduziert werden, wenn die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius gehalten wird“, so Robert Carr.
„In einem Szenario mit weiterhin hohen Emissionen könnte sich die tägliche Zeit zur Wasserbeschaffung bis 2050 in Regionen Südamerikas und Südostasiens sogar verdoppeln. In Ost- und Zentralafrika, wo die Wasserholzeiten heute weltweit am höchsten sind, könnten diese Zeiten aufgrund höherer Temperaturen um 20 bis 40 Prozent ansteigen“, sagt Maximilian Kotz vom PIK.
Frauen und Mädchen verbringen weltweit bis zu 200 Millionen Stunden pro Tag mit dieser lebenswichtigen Aufgabe (Stand 2016), was eine erhebliche physische und psychische Belastung darstellt und ihnen weniger Zeit für Bildung, Arbeit und Freizeit lässt.
Auswirkungen vergangener Klimabedingungen auf Wasserholzeiten
Basierend auf Haushaltserhebungen in 347 Regionen auf vier Kontinenten aus den Jahren 1990 bis 2019 untersuchten die Forschenden, wie sich veränderte Klimabedingungen in der Vergangenheit auf die Wasserholzeiten ausgewirkt haben.
„Höhere Temperaturen und weniger Niederschlag haben in der Vergangenheit zu längeren täglichen Wasserholzeiten geführt“, erklärt Maximilian Kotz. „Es gibt mehrere mögliche Erklärungen: Höhere Temperaturen und weniger Niederschlag verändern das Gleichgewicht zwischen Verdunstung und Niederschlag, wodurch die Wasserspiegel sinken und der Zugang zu Süßwasser erschwert wird. Außerdem kann der Weg zu Wasserquellen aufgrund von Hitzestress unangenehmer und länger werden.“
Die Forschenden kombinierten diese beobachteten Muster mit Temperatur- und Niederschlagsprognosen modernster Klimamodelle (CMIP-6) und analysierten die Auswirkungen künftiger Klimaveränderungen auf die täglichen Wasserholzeiten unter verschiedenen Emissionsszenarien.
„Unsere Ergebnisse beleuchten eine geschlechterspezifische Dimension der Auswirkungen des Klimawandels“, betont Koautorin und PIK-Forscherin Leonie Wenz. „Sie zeigen, wie stark sich der Klimawandel auf das Wohlbefinden von Frauen auswirken wird. Durch längere Wasserholzeiten verlieren sie Zeit für Bildung, Arbeit und Freizeit. Allein die Kosten der verlorenen Arbeitszeit, berechnet anhand des länderspezifischen Mindestlohns, sind bis 2050 beträchtlich. Bei einem Szenario mit hohen Emissionen würden sie sich auf Dutzende bis Hunderte von Millionen US-Dollar pro Land und Jahr belaufen.“