22. Juli 2022 | Obwohl die Abwässer aus der pharmazeutischen und chemischen Industrie in modernen Kläranlagen gereinigt werden, wird die Vielzahl von synthetischen Verbindungen, die schließlich in den Gewässern landen, stark unterschätzt. Das zeigt eine neue Studie des Schweizer Wasserforschungsinstituts Eawag und der ETH Zürich. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, haben die Forschende das gereinigte Abwasser aus elf Kläranlagen über mehrere Monate hinweg näher analysiert.
Dazu wurden Anlagen ausgewählt, die sehr unterschiedliche Anteile von Industrieabwasser zu bewältigen haben – von 0 bis 100%. Mit hochaufgelöster Massenspektrometrie, teilweise automatisiert, wurden dann das behandelte Abwasser analysiert. So wurde es möglich, die Gesamtzahl der vorhandenen Verbindungen zu ermitteln und auch Substanzen zu verfolgen, die nur kurzzeitig in Spitzenkonzentrationen auftraten.
Erkenntnisse
Bei der Kampagne wurden im Wesentlichen die folgenden Erkenntnisse gewonnen:
- Das behandelte Industrieabwasser enthält zeitweise bis zu fünfzehnmal mehr verschiedene Stoffe und um ein bis zwei Größenordnungen höhere Konzentrationen an synthetischen organischen Verbindungen mit deutlich größeren Schwankungen als das häusliche Abwasser.
- Die chemische Vielfalt der Abwässer ist sehr standortspezifisch und spiegelt die Herstellungsprozesse der jeweiligen Firmen wider. Doch sie ist auch stark durch weitere Faktoren beeinflusst, etwa durch Art und Umfang der Abwasser-Vorbehandlung, die Praxis, wie die Betriebe ihr Abwasser zur Kläranlage schicken, oder den Betrieb der Kläranlagen.
- Unter der enormen Vielzahl gefundener Substanzen können sich auch toxische Verbindungen befinden, die eine Bedrohung darstellen für die die aquatische Artenvielfalt. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die stark schwankenden Emissionen zu unerwarteten Spitzenkonzentrationen führen und das in laufend wechselnden chemischen Zusammensetzungen. Es wurden auch nicht registrierte Chemikalien gefunden.
Gängige Praxis zur Prüfung der Wasserqualität ist nicht ausreichend
Die an der Studie beteiligten Forschenden ziehen den Schluss, dass die gängige Praxis zur Prüfung und möglichen Verbesserung der Wasserqualität nicht genügt. Heute werde zumeist eine Standardliste mit Zielschadstoffen sowie gewisse Summenparameter analysiert, statt an jedem Standort genau hinzuschauen. Nur so ließen sich jedoch maßgeschneiderte Monitoringprogramme erstellen und – wo nötig – Maßnahmen ergreifen, schreiben die Wissenschaftler:innen. Strategien zur Minderung der Belastungen können einen sehr breiten Bereich umfassen, von einer Änderung der Abwasserbehandlungspraxis in den Unternehmen und Innovationen auf den Kläranlagen über Umstellungen der Herstellungsprozesse bis zu gesetzlichen Regulierungen oder gar einem Verbot gewisser Stoffe. Einige der Maßnahmen werden von Industriebetrieben bereits heute erfolgreich umgesetzt.
Veröffentlichung
Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Water Research veröffentlicht.
Quelle/Weitere Informationen: Eawag