Filter by Themen
Filter by Kategorien
Filter by Veranstaltungsschlagworte
FS Logoi

Hochwasser: Wie sich abgelagerte Schadstoffe aus dem Flussbett verbreiten können

Eine langfristige Gefahr durch Hochwasser wird häufig unterschätzt: Die reißenden Flüsse wirbeln Schadstoffe aus ihren Sedimenten auf, die von Umweltverschmutzungen vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten herrühren. Solche Schadstoffe können nicht nur ökologische Schäden im Fluss verursachen. In Überschwemmungsgebieten können sich die Schadstoffe ablagern und Ackerpflanzen, Weidetiere und Menschen belasten. Darauf hat ein internationales Wissenschaftsteam in einer Übersicht zu wissenschaftlichen Untersuchungen von Hochwasserereignissen in der ganzen Welt hingewiesen. Die Arbeit ist im Journal of Hazardous Materials erschienen und unter Federführung der Goethe-Universität Frankfurt entstanden.

von | 07.08.21

Eine langfristige Gefahr durch Hochwasser wird häufig unterschätzt: Die reißenden Flüsse wirbeln Schadstoffe aus ihren Sedimenten auf, die von Umweltverschmutzungen vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten herrühren. Solche Schadstoffe können nicht nur ökologische Schäden im Fluss verursachen. In Überschwemmungsgebieten können sich die Schadstoffe ablagern und Ackerpflanzen, Weidetiere und Menschen belasten. Darauf hat ein internationales Wissenschaftsteam in einer Übersicht zu wissenschaftlichen Untersuchungen von Hochwasserereignissen in der ganzen Welt hingewiesen. Die Arbeit ist im Journal of Hazardous Materials erschienen und unter Federführung der Goethe-Universität Frankfurt entstanden.

Altsedimente können Schadstoffe gebunden haben

Sedimente gelten als Langzeitgedächtnis eines Flusses. In der Hauptsache bestehen sie aus Partikeln, die vom Erdboden abgetragen werden und irgendwann in Flussdeltas oder im Meer landen. Sedimente können jedoch auch für verhältnismäßig lange Zeit stabil bleiben – und Schadstoffe binden, die zum Beispiel durch Bergbau- oder Industrieabwässer in die Flüsse gelangt sind. Entsprechend befinden sich in vielen Altsedimenten der Flüsse Schadstoffe als „chemische Zeitbomben“ wie zum Beispiel Schwermetalle oder schwer abbaubare Dioxine und dioxin-ähnliche Verbindungen.

Schadstoffbelastungen infolge von Überflutung

Bei Hochwasserereignissen in den industriell geprägten Regionen Europas, Nordamerikas und Asiens können infolge der hohen Fließgeschwindigkeiten auch Altsedimente aufgewühlt werden. Dabei werden regelmäßig die in ihnen gebundenen Schadstoffe auf einen Schlag freigesetzt und kontaminieren Überflutungsgebiete. Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen dazu hat ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Goethe-Universität Frankfurt, der RWTH Aachen, der kanadischen University of Saskatchewan und weiteren Partnerinnen in einer aktuellen Übersichtsarbeit zusammengestellt. Darin zeigen die Forscher:innen unter Federführung der Frankfurter Nachwuchsgruppenleiterin Dr. Sarah Crawford und dem kanadischen Forscher Prof. Markus Brinkmann zum Beispiel auf, welche Schadstoffbelastungen infolge verschiedener Überflutungsereignisse gemessen wurden, welche Testsysteme für verschiedene Schadstoffe entwickelt wurden und wie sich unterschiedliche Sedimente bei hohen Fließgeschwindigkeiten verhalten. Die Gefahren für die Trinkwassergewinnung werden ebenso geschildert wie etwa der Einfluss der Temperatur auf die Schadstoffaufnahme durch Fische und Methoden zur Bewertung der mit der Remobilisierung von Schadstoffen verbundenen ökonomischen Kosten.

Eine tickende Zeitbombe

Henner Hollert, Professor für Umwelttoxikologie an der Goethe-Universität Frankfurt und Seniorautor der aktuellen Publikation ist trotz der langjährigen Forschung zum Thema sehr besorgt: „Ich habe den Eindruck, dass das Problem der Schadstoffe aus den Altsedimenten in Deutschland und auch in Europa stark unterschätzt wird. Das mag auch daran liegen, dass es bislang praktisch keine Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Folgen dieses Problems gibt, wie wir zeigen konnten. Schadstoffbelastete Altsedimente sind aber eine tickende Zeitbombe, mit jeder Flut hochgehen kann. Wir brauchen jetzt flächendeckend ein gutes Management der Flüsse, das nicht nur unmittelbare Gefahren für Menschen, Tiere und Bauwerke in den Blick nimmt, sondern auch die langfristigen Folgen durch die Altlasten in den Flussbetten. So müssen wir zum Beispiel unbedingt die landwirtschaftlich genutzten Überflutungsgebiete auf Fluss-spezifische Schadstoffe untersuchen, damit diese nicht in Form von Fleisch und Milchprodukten auf unseren Tellern landen.“

Robustheit und Resilienz von Natur-Gesellschaftssystemen

Auch die aktuellen extremen Hochwasserereignisse in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen werden von Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität in Kooperation mit der RWTH Aachen, der University of Saskatchewan in Kanada, dem Helmholtzzentrum für Umweltforschung Leipzig, dem ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung, dem Senckenberg-Institut, dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsforschung und vielen weiteren Partnern in einem interdisziplinären Ansatz von den biologischen, ökotoxikologischen, ökologischen, geowissenschaftlichen, wasserbaulichen, aber auch sozialökologischen und ökonomischen Folgen untersucht. Diese Untersuchungen sind eingebettet in den neuen Forschungscluster RobustNature an der Goethe-Universität, der Robustheit und die Resilienz von Natur-Gesellschaftssystemen im sich veränderten Anthropozän untersucht und zur wissensbasierten Transformationsforschung an den Beispielen Biodiversität und Wasser beitragen möchte – also vom Wissen zum Handeln.

Originalpublikation

Sarah E. Crawford, Markus Brinkmann, Jacob D. Ouellet, Frank Lehmkuhl, Klaus Reicherter, Jan Schwarzbauer, Piero Bellanova, Peter Letmathe, Lars M. Blank, Roland Weber, Werner Brack, Joost T. van Dongen, Lucas Menzel, Markus Hecker, Holger Schüttrumpf & Henner Hollert: Remobilization of pollutants during extreme flood events poses severe risks to human and environmental health. Journal of Hazardous Materials 421 (2022) 126691

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

Jetzt Newsletter abonnieren

Stoff für Ihr Wissen, jede Woche in Ihrem Postfach.

Hier anmelden

Pharmaindustrie klagt gegen KARL
Pharmaindustrie klagt gegen KARL

Die Klage der pharmazeutischen und kosmetischen Industrie gegen die Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) liegt vor dem Gericht der Europäischen Union. BDEW und VKU haben die Zulassung als Streithelfer beantragt.

mehr lesen
Den Regen ernten
Den Regen ernten

Das Wissenschaftsteam um die TU-Hydrologin Eva Paton will Regen „ernten“, um die Region Berlin-Brandenburg an Wetterextreme wie Dürre und Starkregen anzupassen.

mehr lesen
Die EU-Wasserpolitik braucht einen Neustart
Die EU-Wasserpolitik braucht einen Neustart

Die neue Wasserresilienzstrategie der EU ist ein wichtiger Schritt – doch laut WBGU braucht es mehr: ein neues Leitbild, das Unsicherheit einkalkuliert, grenzüberschreitend wirkt und technologische Innovationen wie KI für Starkregenmanagement einbindet.

mehr lesen
Chemikalien in Gewässern werden unzureichend erfasst
Chemikalien in Gewässern werden unzureichend erfasst

Mehrere hunderttausend Chemikalien werden mittlerweile als möglicherweise umweltschädlich betrachtet. Doch nur für einen sehr geringen Anteil dieser Chemikalien liegen Messwerte aus Gewässern vor. Das haben Wissenschaftler der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) nun nachgewiesen.

mehr lesen
Artenvielfalt durch Baukunst: Biber schaffen Lebensräume
Artenvielfalt durch Baukunst: Biber schaffen Lebensräume

Wo Biber bauen, steigt die Zahl wasserlebender Tierarten. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende der Aquatischen Ökologie der Universität Duisburg-Essen. Die Wissenschaftler:innen verglichen Auen-Abschnitte mit und ohne Biber-Aktivität und fanden in Lebensräumen mit Dämmen deutlich mehr Arten als in unveränderten Bachabschnitten. Die Fachzeitschrift Freshwater Biology berichtet.

mehr lesen

Passende Firmen zum Thema:

Fränkische Rohrwerke Gebr. Kirchner GmbH & Co. KG

Branchen: Regenwasser-Behandlung, -Versickerung, -Rückhaltung
Thema: Wasserstress

Regenwasser-Behandlung, -Versickerung,

ENREGIS GmbH

Thema: Wasserstress

ENREGIS ist ein ausgesprochen dynamisches Unternehmen mit fachlich versierten und erfahrenen Mitarbeitern aus dem Segment des Regenwasser-Managements, der Entwässerungstechnik sowie der ökologischen regenerativen Wärmetechnik und der dazu gehörenden Dienstleistungen. Im Vertrieb und in der

Sie möchten die gwf Wasser + Abwasser testen

Bestellen Sie Ihr kostenloses Probeheft

Überzeugen Sie sich selbst: Gerne senden wir Ihnen die gwf Wasser + Abwasser kostenlos und unverbindlich zur Probe!

Finance Illustration 03