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FS Logoi

Segeln durchs Klimaarchiv: Wie Schiffe das Wetter von morgen erklären

In historischen Logbüchern von Schiffen des transatlantischen Sklavenhandels stecken auch Informationen über vergangene Klimabedingungen. Um diese ungewöhnliche Datenquelle für die Untersuchung der Intertropischen Konvergenzzone zu erschließen, haben sich zwei Klimaforscherinnen des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und eine Klimahistorikerin der Universität Bielefeld zusammengeschlossen. Die Volkswagenstiftung unterstützt das innovative Vorhaben mit 1,3 Millionen Euro.

von | 29.07.25

Quelle: Redaktion/ChatGPT

Etwa ein Drittel der Niederschläge auf der Erde fällt in einem schmalen Regenband innerhalb der Tropen, in der Intertropischen Konvergenzzone (ITCZ). Vorhersagen zufolge könnten sich deren Lage, Ausdehnung und Stärke durch den Klimawandel verändern – mit Folgen für die Trinkwasserversorgung von Hunderten Millionen Menschen. Um solche Vorhersagen zuverlässig machen zu können, braucht es ein Verständnis vergangener Änderungen. Die Datenlage ist allerdings dünn. Deshalb wollen zwei Klimaforscherinnen am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) und eine Klimahistorikerin an der Universität Bielefeld gemeinsam untersuchen, ob historische Schiffslogbücher etwas über vergangene Veränderungen der ITCZ preisgeben.

Die Volkswagenstiftung fördert das Projekt „DOLDRUMS“ als Pioniervorhaben mit der Höchstfördersumme von 1,3 Millionen Euro. Das Projekt startet im Oktober 2025 und läuft über vier Jahre. DOLDRUMS steht für „Deciphering OLD ship Records to Understand the Maritime Structure of the Atlantic Intertropical Convergence Zone“, zu Deutsch: Entschlüsselung alter Schiffsaufzeichnungen für ein besseres Verständnis der maritimen Struktur der ITCZ.

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen

„Wir freuen uns, dass wir mit diesem etwas gewagten, aber sehr innovativen Projektantrag erfolgreich waren“, sagt MPI-M-Forscherin Claudia Timmreck. „Wir erweitern das Spektrum von Methoden für die Rekonstruktion vergangener Klimaänderungen und lernen damit auch etwas über die Zukunft.“

Bei der ITCZ gestaltete sich der Blick in die Vergangenheit bislang schwierig: Wetteraufzeichnungen enthalten Informationen über die ITCZ hauptsächlich in Form erhöhter Niederschlagsmengen über Land – tatsächlich liegt die ITCZ aber größtenteils über dem Ozean und lässt sich besser durch Oberflächenwinde charakterisieren. Beispielsweise liefern Klimaarchive wie Tropfsteine oder Sedimentablagerungen nur Informationen über den Niederschlag an Land oder in Küstennähe. Weil Oberflächenwinde über dem Ozean in den Klimaarchiven unsichtbar sind, macht sich DOLDRUMS auf die Suche nach ihren Spuren in der Menschheitsgeschichte: Logbücher von Segelschiffen, vor allem aus dem transatlantischen Sklavenhandel, mit denen vom 16. bis ins 19. Jahrhundert Millionen Menschen von Afrika nach Amerika und in die Karibik verschleppt wurden, sollen die Datenlücke schließen.

Routen und Revolten

Beim Durchqueren der ITCZ waren die Schiffe Stürmen und Gewittern, aber manchmal auch nahezu völliger Windstille ausgesetzt. Ein Stranden in diesen Kalmen oder Doldrums genannten Regionen konnte eine Seereise um Tage oder Wochen verlängern. Deshalb dürften allein die Schiffsrouten selbst Informationen über die Winde und damit die ITCZ enthalten. Hinzu kommen Notizen zu Wetterbeobachtungen und zum Verhalten der Menschen.

„Das Wetter auf See hat die Lebensbedingungen an Bord der Schiffe stark beeinflusst“, sagt Eleonora Rohland von der Universität Bielefeld. „Eine Hypothese ist, dass das nervenzehrende Festsitzen in den Doldrums zu Aufständen der Sklaven und der Crew geführt hat, denn es ließ Trinkwasser und Nahrungsmittel knapp werden.“

Daher könnten auch Berichte über solche Situationen indirekte Hinweise auf die Wetterbedingungen liefern.

Virtuelle Schiffe in einem sturmauflösenden Modell

Die Forscherinnen werden die Daten aus den Logbüchern mithilfe des sturmauflösenden Klimamodells ICON interpretieren.

„Wir wollen den Zusammenhang zwischen den großräumigen Windverhältnissen der ITCZ und den Schiffslogbüchern herstellen, indem wir virtuelle Schiffe durch unsere Klimasimulationen steuern“, erklärt MPI-M-Forscherin Julia Windmiller die Vorgehensweise.

Danach will das Team die Jahre 1783/84 in den Blick nehmen. Zu dieser Zeit wich die Lage der ITCZ aufgrund eines isländischen Vulkanausbruchs vom normalen Zustand ab – dies ist also eine Gelegenheit zur Prüfung der These, dass sich externe Klimaantriebe in den Logbuch-Daten bemerkbar machen. Sollte dies gelingen, hätten die Forscherinnen eine neue Quelle vergangener Wetterdaten sowie eine neue Überprüfungsmöglichkeit für Klimatheorien erschlossen. Dies würde nicht nur die Interpretation vergangener, sondern auch die Vorhersage zukünftiger Klimaänderungen deutlich verbessern.

Mit ihrer ungewöhnlichen Idee begeben sich die drei Forscherinnen sprichwörtlich in unbekannte Gewässer. Für solche riskanten Forschungsideen gibt es das Förderprogramm „Pioniervorhaben – Explorationen des unbekannten Unbekannten“ der privaten Volkswagenstiftung. Das Auswahlverfahren ist hoch kompetitiv, nur ein geringer Prozentsatz aller gestellten Anträge wird bewilligt.


Wissenschaftliche Ansprechpartnerinnen:
Prof. Dr. Eleonora Rohland, Universität Bielefeld: eleonora.rohland@uni-bielefeld.de
Dr. Claudia Timmreck, Max-Planck-Institut für Meteorologie: claudia.timmreck@mpimet.mpg.de
Dr. Julia Windmiller, Max-Planck-Institut für Meteorologie: julia.windmiller@mpimet.mpg.de

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

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