Das Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Hermsdorf konnte die Trenngrenze keramischer Membranen deutlich herabsetzen und erstmals auch gelöste organische Moleküle mit einer molaren Masse von nur 200 Dalton zuverlässig abfiltrieren. So lassen sich selbst Industrie-Abwässer effizient reinigen. Die neuen keramischen Nanofiltrationsmembranen erreichen so eine ganz neue Qualität in Filtrationsprozessen. Für ihre Entwicklung wurden Dr. Ingolf Voigt, Dr.-Ing. Hannes Richter und Dipl.-Chem. Petra Puhlfürß am 30. Mai mit dem diesjährigen Joseph-von-Fraunhofer-Preis ausgezeichnet. Die Jury begründet die Preisvergabe unter anderem mit „der erstmaligen Umsetzung für Filtrationsanwendungen im Rahmen dieser Materialklasse“.
Besonders energieeffizient
Wasser wird in vielen Produktionsprozessen als Löse- oder Reinigungsmittel benötigt, es kühlt oder überträgt Wärme. Da zunehmend mehr Wasser verbraucht wird, gilt es, Abwässer aufzubereiten und wiederzuverwenden. Eine gute Möglichkeit dazu bieten keramische Membranen: Da sie auf mechanische Art und Weise trennen, sind sie besonders energieeffizient. Allerdings war mit dieser Methode bisher bei einer Molekülgröße von 450 Dalton Schluss: Kleinere Moleküle konnten mit keramischen Membranen nicht abgetrennt werden. Experten zufolge galt es sogar als unmöglich, diese Grenze zu unterschreiten.
Erstmalig 200 Dalton kleine Moleküle abtretbar
Dr. Ingolf Voigt, Dr.-Ing. Hannes Richter und Dipl.-Chem. Petra Puhlfürß vom Fraunhofer IKTS haben das Unmögliche geschafft. „Mit unseren keramischen Membranen erreichen wir erstmals eine molekulare Trenngrenze von 200 Dalton – und erzielen damit eine ganz neue Qualität“, freut sich Dr. Ingolf Voigt, stellvertretender Institutsleiter des IKTS und Standortleiter im thüringischen Hermsdorf. Auf dem Weg, das Unmögliche möglich zu machen, galt es zunächst verschiedene Hindernisse zu überwinden. Das erste lag in der Herstellung der Membran selbst: Möchte man so kleine Moleküle zuverlässig abtrennen, benötigt man eine Membran mit Poren, die kleiner sind als die Moleküle, die man abtrennen möchte. Außerdem müssen alle Poren möglichst gleich groß sein, da eine einzelne größere Öffnung ausreicht, um Moleküle hindurchrutschen zu lassen. Die Herausforderung lag also darin, möglichst kleine Poren zu erzeugen, die alle mehr oder weniger gleich groß sind. „Über eine Weiterentwicklung der Sol-Gel-Technik ist uns dies gelungen“, sagt Hannes Richter, Abteilungsleiter am IKTS.
Pilotanlage auf 234 Quadratmetern
Die zweite Hürde lag darin, solche Membranschichten defektfrei über größere Flächen herzustellen. Auch dies ist den Fraunhofer-Forschern geglückt. „Während üblicherweise nur wenige Quadratzentimeter große Flächen beschichtet werden, haben wir eine Pilotanlage mit einer Membranfläche von 234 Quadratmetern ausgerüstet – unsere Membran ist also mehrere Größenordnungen größer“, verdeutlicht Petra Puhlfürß, Wissenschaftlerin am IKTS. Die besagte Pilotanlage wurde im Auftrag von Shell von der Firma Andreas Junghans – Anlagenbau und Edelstahlbearbeitung GmbH & Co. KG in Frankenberg gebaut und steht im kanadischen Alberta. Hier reinigt sie seit 2016 erfolgreich Abwasser, das bei der Förderung von Öl aus Ölsand verwendet wird. Derzeit planen die Forscher eine erste Produktionsanlage mit einer Membranfläche von mehr als 5000 Quadratmetern. Auch in industriellen Produktionsprozessen bringen die neuartigen keramischen Membranen Vorteile: Mit ihnen lassen sich Teilströme direkt im Prozess reinigen und das gereinigte Wasser im Kreislauf führen – das spart Wasser und Energie.
Ein Video des Fraunhofer IKTS erklärt das neue Verfahren.