Herr Zickermann und Herr Heinsbroek, bevor wir in die Tiefen der Prozessentwicklung abtauchen, bitten wir um eine kurze Vorstellung Ihres Unternehmens und den dort vorherrschenden Randbedingungen für die Trinkwasserproduktion.
Abel Heinsbroek: Vitens ist das größte niederländische Wasserversorgungsunternehmen. Wir liefern Wasser in die fünf Provinzen Friesland, Overijssel, Gelderland, Flevoland und Utrecht und versorgen also etwa ein Drittel der Niederlande. Dafür stehen 93 Aufbereitungsanlagen zur Verfügung. Zur Trinkwasserproduktion wird fast ausschließlich Grundwasser verwendet, mit teilweise sehr unterschiedlichen Qualitäten an den verschiedenen Standorten. Wir nutzen sowohl aerobes als auch anaerobes Grundwasser und betreiben außerdem zwei Anlagen, die Uferfiltrat verwenden. Eine aktuelle Herausforderung stellt die Wasserknappheit dar. Obwohl es in den Niederlanden reichlich Wasser gibt, können wir bestimmte Industriekunden nicht an unser Wassernetz anschließen, weil wir nicht genug Entnahmegenehmigungen dafür haben.
Wie oft kommt es im Jahr vor, dass Anlagen zu Trinkwasseraufbereitung neu gebaut oder renoviert werden müssen?
A.H.: Die hohe Zahl der Aufbereitungsanlagen in unterschiedlichen Alters-, Zustands- und Statusstufen erfordert ein guten Anlagenmanagement und stetige Erneuerung. Pro Jahr haben wir vier bis sechs größere Renovierungs- oder Erneuerungsprojekte. Zukünftig wollen wir aber nicht mehr fast 100 kleinere, sondern 30 bis 40 größere Wasserwerke betreiben, d. h. die Rohwässer von mehreren kleineren Anlagen jeweils in größeren zusammenführen.
Um dann genügend Wasser zu haben, müssen Sie wahrscheinlich auch neue Rohwasserquellen erschließen.
A.H.: Ja, absolut. Dazu untersuchen wir auch die Nutzung von Oberflächenwasser, beispielsweise aus dem Fluss IJssel oder den größeren Seen, wie dem Ketelmeer oder dem IJsselmeer. Darüber hinaus untersuchen wir in einigen Projekten die Möglichkeiten der unterirdischen Wasserspeicherung. Dabei wird vorgereinigtes Wasser infiltriert und in trockenen Zeiten zurückgeholt
„Die hohe Zahl der Aufbereitungsanlagen in unterschiedlichen Alters-, Zustands- und Statusstufen erfordert ein guten Anlagenmanagement und stetige Erneuerung.“
Abel Heinsbroek
Damit erhöht sich die Vielzahl möglicher Rohwasserqualitäten?
A.H.: Das kommt dazu, aber der Umgang mit unterschiedlichen Wasserqualitäten ist für uns überhaupt nicht neu. Das bringt die geografische Ausdehnung unseres Versorgungsgebietes mit sich. So gibt es in einigen Teilen von Overijssel tiefes anaerobes Grundwasser mit hohen Gehalten an Methan, Eisen, Mangan und anderen Kontaminanten. Dieses Wasser ist sehr schwer aufzubereiten. Manche Quellen sind brackig und erfordern andere Aufbereitungstechnologien. Beim Oberflächenwasser sehen wir anthropogene Einflüsse, wie Verunreinigungen durch PFAS, Medikamente oder Pestizide. Es gibt aber auch Rohwässer, die wenig oder keine Behandlung erfordern, wie in den Naturschutzgebieten der Veluwe. Dort pumpen wir das Wasser einfach durch den Sandboden hoch und leiten es fast direkt ins Verteilungsnetz. Wenn wir aber mehr Oberflächenwasser oder in fernerer Zukunft sogar behandeltes Abwasser nutzen, werden wir weitere Behandlungstechnologien integrieren müssen.
Bevor wir zu Amanzi kommen: Wie bewältigen Sie die mit den Neu- und Renovierungsprojekten anfallenden Planungsaufgaben zurzeit?
Nils Zickermann: Wir beide sind Teil eines Teams von 15 Prozesstechnolog:innen und Prozessingenieur:innen. Wir betreiben seit langem Forschung und Entwicklung und sind immer auf der Suche nach neuen, effizienteren Behandlungsprozessen und nach Methoden, bestehende Systeme zu optimieren. Wir verfügen also über ein hohes Erfahrungswissen, in erster Linie über die konventionellen Behandlungsverfahren im Haus, und für neuere Technologien wird dieses Wissen nach und nach aufgebaut.
„Ein weiterer wichtiger Aspekt von Amanzi ist die Standardisierung und Verschlankung von Prozessen, die wir im Grunde schon seit langem beherrschen, für deren praktische Ausführung aber jeder in unserem Team seine eigene Arbeitsweise hat.“
Nils Zickermann
Was genau waren die Auslöser für die Entwicklung von Amanzi?
A.H.: Hier ist es wichtig, zu erwähnen, dass sich die Anforderungen an die Trinkwasseraufbereitung in den letzten Jahrzehnten geändert haben. Früher war das Hauptanliegen die Sicherstellung von Wasser in ausreichender Quantität. Dann kamen Qualitätsansprüche hinzu: Wir wollten Wasser mit gutem Geschmack und Farbe, schadstofffrei und keimarm. Heute gewinnen…
Lest das gesamte Interview in der gwf Wasser/Abwasser 7-8/2024