Am 10. Juli haben BDEW und VKU beim Gericht der Europäischen Union einen Antrag auf Zulassung als Streithelfer eingereicht. Dieser zielt auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union, gegen die sich die Klage der pharmazeutischen und kosmetischen Industrie auf Streichung der erweiterten Herstellerverantwortung für wasserschädliche Stoffe in der Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) richtet. Mit dem Streitbeitritt wollen BDEW und VKU die Wahrnehmung der Interessen der deutschen Wasserwirtschaft in dem Verfahren sicherstellen.
Belange der Wasserwirtschaft und Bürger:innen vertreten
„Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus versucht in Brüssel aktuell die Pharma- und Kosmetikbranche die erst Anfang des Jahres in der Kommunalabwasserrichtlinie festgelegte Herstellerverantwortung zu Fall zu bringen. Nach ihrem Willen sollen die Kosten für den Ausbau der 4. Reinigungsstufe allein die Gebührenzahler tragen. Dem stellen wir uns vehement entgegen. Durch den Streitbeitritt stellen wir sicher, dass die Belange der Wasserwirtschaft, der Bürger und mittelständischen Wirtschaft nicht unter die Räder kommen“, erläutert Karsten Specht, VKU-Vizepräsident.
Aktuell sind insgesamt 16 Verfahren anhängig, die in drei Hauptverfahren zusammengefasst wurden – unter anderem unter Beteiligung von EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations) und Cosmetics Europe.
„Die Hersteller dürfen nicht aus der Verantwortung für die von ihnen produzierten Spurenstoffe entlassen werden“, so Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser. Und weiter: „Ein fundierter Streitbeitritt ist essenziell, um die Belange der Daseinsvorsorge im europäischen Rechtsrahmen sichtbar zu machen und effektiv zu verteidigen. Der BDEW wird sich entschlossen für eine sachgerechte Berücksichtigung der Perspektive der Wasserwirtschaft einsetzen.“
Die Seite der Kläger
Im März 2025 hatten Pharma Deutschland und sieben Mitgliedsunternehmen Klage gegen die Kommunalabwasserrichtlinie eingereicht. Beteiligt sind Dermapharm, Fresenius-Kabi, hameln pharma, PUREN Pharma, Sandoz/Hexal, Teva und ZENTIVA Pharma.
Aus Sicht der klagenden Unternehmen verstoße ein zentraler Aspekt der europäischen Kommunalabwasserrichtlinie gegen geltendes EU-Recht und müsse zurückgenommen werden. Es geht dabei um die erweiterte Herstellerverantwortung, auf deren Grundlage die europaweite Finanzierung des Aufbaus und des Betriebs einer zusätzlichen Klärstufe für kommunale Kläranlagen erfolgen soll.
„Die europäische Abwasserrichtlinie hat eklatante Mängel. Sie betreffen die Grundannahmen, die Datengrundlage, die operative Umsetzung und die Kostenabschätzung, die den Regelungen zur erweiterten Herstellerverantwortung zugrunde liegen”, erklärt Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland. „Wir sehen in der Richtlinie Verstöße gegen EU- Recht und eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort und die Versorgung mit Human-Arzneimitteln in Deutschland und Europa”, so Brakmann weiter.
Warnung vor Kostenbelastung
Die Unternehmen argumentieren gegenüber dem Gericht unter anderem damit, dass sich die Regelungen über die erweiterte Herstellerverantwortung nicht auf das Verursacherprinzip nach Art. 191 (2) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stützen lassen. Die beklagte Richtlinie, legt fest, dass mindestens 80% der Kosten für Bau und Betrieb der 4. Klärstufe nach dem Verursacherprinzip auf die Hersteller von Human-Arzneimitteln und Kosmetika umgelegt werden. Damit soll ein Anreiz gesetzt werden, auf ökologische bzw. nachhaltigere Produkte umzustellen.
Diese Lenkungsfunktion des Verursacherprinzips kann bei Human-Arzneimitteln jedoch nicht erreicht werden, weil der gewünschte Effekt von Arzneimitteln fest mit den jeweiligen Wirkstoffen verbunden ist. Darüber hinaus lassen sich die zu beseitigenden Spurenstoffe in den kommunalen Abwässern keineswegs nur auf Human-Arzneimittel oder Kosmetika zurückführen.
Durch die finanzielle Mehrbelastung der Pharmaunternehmen aus der Kommunalabwasserrichtlinie drohe eine Situation, in der sich viele Human-Arzneimittel nicht mehr kostendeckend in Deutschland oder Europa vertreiben lassen.
„Die Richtlinie würde einen Dominoeffekt haben und den strategischen Zielen einer stabilen EU-Arzneimittelversorgung und Reduzierung von Abhängigkeiten aus dem Ausland konträr gegenüberstehen”, warnt Brakmann.
Dies würde auch gesetzgeberischen Maßnahmen zur Bekämpfung bereits bestehender Lieferengpässe zuwiderlaufen.










