Gezielte Zerstörung von Wasserinfrastruktur ist eine gefährliche Waffe in bewaffneten Konflikten. Auch in der Ukraine wurden seit 2022 mehrere Dämme durch militärische Angriffe beschädigt oder zerstört. Im Juni 2023 brach der Kachowka-Staudamm, einer der größten Stauseen Europas, infolge von Kriegshandlungen zusammen. Forschende des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben nun in der Fachzeitschrift Science eine Studie zu den ökologischen Langzeitfolgen veröffentlicht. Sie weisen darauf hin, dass die freigelegten Sedimente des ehemaligen Stausees eine bislang unterschätzte toxische Gefahr darstellen.
Eine Umweltkatastrophe mit weitreichenden Folgen
Der Kachowka-Staudamm, der am Ende der Dnipro-Staukaskade lag, speicherte 18 Kubikkilometer Wasser für die Wasserversorgung, Landwirtschaft und Industrie. Sein Zusammenbruch führte zu massiven Überschwemmungen, einer abrupten Entleerung des Stausees und einer Verschmutzung der umliegenden Süßwasser- und Meeresökosysteme. Ein internationales Forschungsteam analysierte die Auswirkungen – eine Herausforderung, da das Ausmaß dieses Dammbruchs alle bisherigen Fälle übertraf. Zudem erschwerten die anhaltenden Kämpfe vor Ort die Datenerhebung.
Giftige Altlasten: 83.300 Tonnen Schwermetalle freigesetzt
Durch den Dammbruch wurde der Boden des ehemaligen Stausees auf einer Fläche von 1.944 Quadratkilometern freigelegt – etwa 80 Prozent der Fläche Luxemburgs. Jahrzehntelang hatten sich dort feine Sedimente angesammelt, die Schadstoffe aus der Industrie und Landwirtschaft speicherten. Analysen zeigen, dass sich in diesen Ablagerungen etwa 83.300 Tonnen hochgiftiger Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Nickel befinden. Ein Großteil des Sediments blieb zwar an Ort und Stelle, doch Oberflächenabfluss und saisonale Überschwemmungen könnten die kontaminierten Böden weiter erodieren und Schadstoffe ins Flusswasser und angrenzende Gebiete transportieren.
Natürliche Regeneration: Hoffnung für das Flussökosystem
Trotz der ökologischen Katastrophe gibt es auch Anzeichen für eine Erholung der Natur. Der Dnipro hat seinen historischen Lauf wieder eingenommen, und erste Pflanzen beginnen, das trockengelegte Stauseebett zu besiedeln. Die Studie zeigt, dass sich die Auenvegetation innerhalb von fünf Jahren weitgehend erholen könnte – ein Prozess, der für das Verständnis von Flussökosystemen nach extremen Eingriffen von großer Bedeutung ist.
Wie geht es weiter? Zwischen Wiederaufbau und neuen Risiken
Während der Krieg weitergeht, wird diskutiert, ob der Kachowka-Staudamm wieder aufgebaut werden sollte. Ohne ihn könnte sich das Ökosystem des Dnipro schneller regenerieren, doch die freigesetzten Schadstoffe könnten sich in der Nahrungskette anreichern. Forschende schlagen daher vor, gezielte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um eine unkontrollierte Freisetzung von Schwermetallen zu verhindern. Gleichzeitig warnen sie davor, dass weitere Angriffe auf Dämme in der Ukraine zu noch verheerenderen Umweltkatastrophen führen könnten. Der Schutz kritischer Wasserinfrastruktur sollte daher eine völkerrechtliche Priorität werden.
Originalpublikation: Impact of the Russia–Ukraine armed conflict on water resources and water infrastructure | Nature Sustainability