Herr Großkaus, seit den 1960-er Jahren wird der Ballungsraum Rhein-Main über die bestehende Riedleitung mit Wasser versorgt. Wann fiel die Entscheidung, die neue Leitung zu bauen und welche Faktoren gaben den Ausschlag?
Silvan Großklaus: Der planerische Rahmen wurde im Jahr 2005 gesetzt mit einer Situationsanalyse über die Dargebots- und Bedarfssituation im Versorgungsgebiet Rhein-Main, die von der Arbeitsgemeinschaft Wasserversorgung Rhein-Main durchgeführt wurde. In dieser Zukunftsstudie wurde deutlich, dass der Wasserbedarf nach einer längeren Stagnationsphase, in der steigender Wasserbedarf durch mehr Bevölkerung durch Wassersparmaßnahmen kompensiert werden konnte, wieder steigen würde. Dies war einmal den klimatischen Veränderungen geschuldet – der Hitzesommer 2003 hatte schon ein Zeichen gesetzt – und der weiteren Bevölkerungszunahme in der Region.
Das Jahr 2005 markiert quasi den strukturell-konzeptionellen Startpunkt. Der entscheidende Beschluss des Aufsichtsrats von Hessenwasser fiel im Jahr 2008. Dadurch wurden auch die notwendigen Mittel frei, um in die Planung und nachfolgend die Umsetzung des ersten Bauabschnitts R2N, des Nordabschnitts, einzusteigen.
Silvan Großklaus
Bis wann soll das Gesamtprojekt abgeschlossen sein?
Silvan Großklaus: Das Ziel ist, bis 2030 alle vier Bauabschnitte fertig gestellt zu haben. Der Nordabschnitt ist schon seit 2018 in Betrieb, aktuell folgt der Abschnitt R2S (Südabschnitt). Die Bauarbeiten dazu werden noch in diesem Herbst begonnen. Wir rechnen mit einer gesamten Bauzeit von dreieinhalb Jahren. Der Bauabschnitt Mitte befindet sich in der Vorbereitung, um im 2025 das Planfeststellungsverfahren zu starten. Wir müssen pro Abschnitt etwa eineinhalb bis zwei Jahre bis zur Erteilung der Genehmigung rechnen. Wenn wir diese haben, folgen ebenso etwa dreieinhalb Jahre Bauzeit.
Was war der Grund dafür, dass Sie mittendrin, mit dem Bauabschnitt Nord, begonnen haben?
Silvan Großklaus: Dieser Bauabschnitt, der mit vier Kilometern Länge relativ kurz ist, markiert versorgungstechnisch einen sehr wichtigen Abschnitt, weil er an eine Gruppe von Speicherbehältern mit insgesamt 40.000 m3 Fassungsvermögen anschließt. Aus diesen Speichern werden die Städte Rüsselsheim und Raunheim versorgt. Dieser Abschnitt ist nicht nur strategisch enorm wichtig, sondern hat sich in der Vergangenheit auch schon unschön durch Schäden an der alten Riedleitung hervorgetan. Die Entscheidung, diesen Teil zuerst zu bauen, hat sich dann auch schnell bewährt, denn kurz nach seiner Inbetriebnahme hatten wir einen Schaden an der alten Leitung in diesem Abschnitt.
Können Sie uns etwas zur Materialauswahl für die Rohrleitung sagen? Erwarten Sie für die neue Leitung eine ähnliche Lebensdauer wie die 60 oder mehr Jahre der bestehenden?
Silvan Großklaus: Wir haben uns bei der neuen Leitung durchgehend für Stahlrohre entschieden. Diese sind außen mit Polyethylen ummantelt und innen mit Zementmörtel ausgekleidet. Abgesehen davon, dass das Material der alten Leitung, Spannbeton, heute im Druckrohrleitungsbau nicht mehr verwendet wird, haben diese Stahlrohre entscheidende Vorteile. Die Innenauskleidung, die auf die Innenwand aufgeschleudert wird, schützt das Stahlrohr vor Korrosion und kann bei Bedarf erneuert werden. Die äußere PE-Hülle ist sehr schlagfest und wird das Rohr von außen schützen. Zusätzlich haben wir die Möglichkeit, das Stahlrohr mit einem kathodischem Korrosionsschutzsystem auszurüsten. Damit lassen sich außerdem etwaige Defekte in der Kunststoffhülle, die zu einer Erdberührung des Stahlrohrs führen, schnell feststellen und beheben. Für diese Rohre erwarten wir eine viel höhere Lebensdauer als das aktuelle Lebensalter der alten Riedleitung. Wir haben Leitungen aus Eisen, die 100 oder 120 Jahre alt sind und kaum schadensauffällig sind. Wenn bei Spannbetonrohren, wie sie für die alte Riedleitung verwendet wurden, einmal Korrosion im Beton und nachfolgend im Spanndraht auftritt, reißen sie und fliegen regelrecht auseinander. Der Vorteil ist, dass der Schaden nicht lange unbemerkt bleibt. Aber er zieht auch sofort eine umfangreiche Sanierung nach sich. Diese führen wir an der Bestandsleitung durch, indem wir das beschädigte Teilstück durch ein Rohr aus duktilem Gusseisen ersetzen.
Den Projektinformationen nach soll die neue Riedleitung zusätzlich zur alten Leitung betrieben werden – ist das als Dauerzustand oder nur für eine Übergangsphase gedacht?
Silvan Großklaus: Der parallele Betrieb ist nicht nur für eine Übergangsphase gedacht. Denn die Hauptmotivation des Projekts ist die Redundanz: Wenn eine Leitung ausfällt, müssen wir auf dem anderen Bein stehen können. Deshalb bauen wir jetzt auch nicht eine kleinere Leitung, sondern eine, die im Wesentlichen die gleiche Nennweite hat wie die „Alte“, mit Ausnahme des Bauabschnitts Mitte. Hier wird die neue Leitung zwar mit ….
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