„Statt des von der Bundesregierung verkündeten „Systemwechsels hin zu höheren Umweltleistungen“ entpuppt sich die Agrarreform bei genauem Hinsehen als eklatanter Rückschritt beim Schutz des Grund- und Trinkwassers, aber auch des Klimas und der Biodiversität und geht letztlich auch zu Lasten der Landwirte“, so IAWR-Präsident Prof. Dr. Matthias Maier.
Die Internationale Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet (IAWR) hat einen Offenen Brief zum Ergebnis der EU-Agrarreform (GAP 2023-2027) und der nationalen Umsetzung an die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft und den Bundesminister für Gesundheit gesandt. Darin wird aufgezeigt, dass die Gelder für die zukunftsfähige Form der Landwirtschaft, Ökolandbau, massiv gekürzt werden – entgegen den offiziell verlautbarten Zielen zum Ausbau des Ökolandbaus. Ökolandbau ist die ausgereifteste Form nachhaltiger Landbewirtschaftung und schützt Grund- und Trinkwasser am besten vor Einträgen von Pestiziden, Gülle- und Düngeüberschüssen und Antibiotika. Die IAWR hatte daher in ihrem GAP-Appell vom Dezember 2020 die Notwendigkeit eines Umstiegs auf Ökolandbau beginnend in Wasserschutzgebieten herausgestellt.
Der notwendige Umbau zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft, dem Ökolandbau, wird nicht nur verpasst, sondern erhält durch doppelte Mittelkürzungen sogar einen Riegel vorgeschoben: Umstiegswillige Landwirte werden damit vom Umstieg auf Ökolandbau abgehalten und sogar Finanzanreize für eine Rückumstellung von Ökolandbau auf konventionelle Landwirtschaft vorgegeben. Mit diesen Mittelkürzungen wirkt die Bundesregierung ihrem offiziell genannten Ziel zum Ausbau des Ökolandbaus auf 20 % bzw. dem Ausbauziel der EU auf 25 % bis 2030 massiv entgegen.
Staatliche Pflicht zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung werde vernachlässigt
In ihrem GAP-Appell vom Dezember 2020 hatte die IAWR eingehend verdeutlicht, dass aus Sicht der Trinkwasserversorgung aufgrund zu hoher Einträge von Pestiziden, Gülle, mineralischem Stickstoffdünger und Antibiotika aus der konventionellen Landwirtschaft die Chancen der GAP zum Umsteuern der EU-Agrarpolitik genutzt werden müssen. Es wurde gezeigt, dass insbesondere in Wasserschutzgebieten eine Umstellung auf Ökolandbau benötigt wird.
„Die rückwärts gewandte Agrarreform wird nicht ohne Folgen für das Grundwasser bleiben und verstärkt zur Schließung von Brunnen und zum Einbau kosten- und energieintensiver End-of-Pipe-Aufbereitungstechniken in Wasserwerken führen. Darüber hinaus ist ein Durchbruch persistenter und mobiler Pestizid-Abbauprodukte ins Trinkwasser zu befürchten.“, erläutert Wolfgang Deinlein, IAWR-Geschäftsführer, und verdeutlicht weiter: „Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass künftig ein gesundheitliches Risiko beim Genuss von Trinkwasser in Kauf genommen wird. Der Staat muss hier für den nötigen Gesundheitsschutz der Bevölkerung sorgen. Hier steht die Politik in der Pflicht gegenüber der Bevölkerung. Mit der Agrarreform wird dies jedoch vernachlässigt. Aus diesem Grund wurde der Offene Brief auch Gesundheitsminister Spahn gesandt.“
Mit der rückwärts gewandten Agrarreform, die die landwirtschaftliche Praxis bis 2028 bestimmen wird, wird der Schutz der öffentlichen Gesundheit vernachlässigt. Ein gesundheitliches Risiko beim Genuss von Leitungswasser muss jedoch unter allen Umständen verhindert werden. Eine finale Entscheidung des Europäischen Parlaments zur GAP steht noch aus. Diese kann womöglich noch durch die Europäische Bürgerinitiative “Bienen und Bauern retten!” gewendet werden. Die Bürgerinitiative fordert ein Umsteuern der Agrarpolitik beim Pestizideinsatz und hat in den vergangenen Wochen stark zugelegt. Um erfolgreich zu sein, muss vor dem 30.09.2021 die 1-Millionen-Grenze erreicht werden. Die IAWR ruft daher zur rechtzeitigen Unterzeichnung und Weiterverteilung auf.