Ein Forschungsprojekt der Universität Kassel macht die nordhessische Großstadt zur Pilotstadt für eine klimaresiliente Trinkwasserversorgung. Das Vorhaben „Flexilienz“ zielt auf eine sichere Versorgung auch unter klimatischen Extrembedingungen, verbindet diese mit Ansätzen zur Wasserstoffproduktion und untersucht zusätzlich Energieeinspar- und -speicherpotenziale. Die geplanten Maßnahmen werden im Versorgungsnetz der Städtischen Werke Kassel erprobt.
Die Trinkwasserversorgung Kassels gilt bislang als zuverlässig. Grundlage dafür ist ein heterogenes Rohwassergewinnungsgebiet, das sich aus zwei Quellgebieten im Habichts- und Kaufunger Wald, mehreren Tiefbrunnen sowie einer Grundwasseranreicherung am Wasserwerk Neue Mühle zusammensetzt. Doch Klimawandel und Extremwetter wie langanhaltende Dürreperioden führen zu sinkenden Grundwasserpegeln, geringeren Quellschüttungen und niedrigeren Fulda-Pegelständen. Daher prüft die Städtische Werke Netz + Service vorbeugend verschiedene Maßnahmen zur Sicherung des Wasserdargebots.
Neue Filtertechnik für sauberes Quellwasser
Auch das Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft der Universität Kassel ist wissenschaftlich beteiligt. Gemeinsam mit den Städtischen Werken Netz + Service und weiteren Partnern untersucht das Projektteam im Rahmen von „Flexilienz“ unter anderem, wie sich Quellwasser aus dem Habichtswald dauerhaft nutzen lässt. Projektleiter Dr.-Ing. Philipp Otter weist darauf hin, dass seit 2018 vermehrt Trockenphasen, Starkregenereignisse und Schneeschmelze in Kassel auftreten – all das kann zur Verunreinigung von Quellwasser führen.
Deshalb soll eine neuartige Ultrafiltrationsanlage künftig eingetrübtes Quellwasser aus dem Habichtswald reinigen. Die eingesetzte Technologie verwendet Membranen mit geringerer Porengröße als bisherige Filter und kommt ohne Pumpen – und damit ohne zusätzlichen Energieeinsatz – aus. Die Maßnahme soll die Kasseler Wasserversorgung weiter gegenüber klimatischen Herausforderungen absichern.
Wasserstoffgewinnung aus ungenutztem Rückspülwasser
Parallel dazu widmet sich das Projekt auch der nachhaltigen Wasserstoffproduktion. „Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft – doch der Wasserbedarf für seine Herstellung wird häufig unterschätzt“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Tobias Morck, Leiter des Fachgebiets Siedlungswasserwirtschaft. Für ein Kilo Wasserstoff werden etwa elf Kilo Wasser benötigt – Kühlwasser nicht eingerechnet.
Das Forschungskonsortium will daher testen, wie sich bislang ungenutztes Filterrückspülwasser für die Elektrolyse verwenden lässt. Am Wasserwerk Tränkeweg in Kassel-Niederzwehren wird dafür ein Elektrolyseur mit einer speziellen Filtermembran kombiniert, um aus dem vermeintlichen „Abfallprodukt“ Wasserstoff zu gewinnen.
Wasser als Energiespeicher – ein innovativer Ansatz
Ein weiterer Baustein des Projekts: die Nutzung bestehender Pump- und Speichersysteme zur Energiespeicherung. Ähnlich wie bei einem Pumpspeicherkraftwerk könnte in Zeiten hoher Einspeisung – etwa bei starker Sonneneinstrahlung oder Wind – mehr Wasser in Hochbehälter gepumpt werden. In Phasen geringer Energieeinspeisung und hohem Wasserbedarf stünde dieses dann zur Verfügung.
Da hier auch die Risiken kritisch niedriger Speicherfüllstände bewertet werden müssen, erfolgt die Untersuchung zunächst im Rahmen einer Simulation. Ziel ist es, die Flexibilität der Wasserversorgung zu erhöhen und gleichzeitig Energie effizienter zu nutzen.
Breiteres Fundament für sichere Versorgung
„Wenn wir mehr und häufiger Quellwasser nutzen, stellen wir die Wassergewinnung auf eine breitere Basis. Das macht die Versorgung in Kassel und Vellmar insgesamt flexibler“, sagt Andreas Kreher, Geschäftsführer der Städtische Werke Netz + Service.
Ein dauerhaft größeres Wasserdargebot sei essenziell – vor allem durch eine höhere Verfügbarkeit von Quellen.
Das Projekt ist im März 2025 gestartet. Neben den Städtischen Werken Netz + Service sind auch das Fraunhofer IEE in Kassel, das Technologiezentrum Wasser TZW sowie die Unternehmen EnWaT GmbH und Oppermann GmbH – Ingenieurbüro beteiligt. „Flexilienz“ wird im Rahmen der Fördermaßnahme „Wasserversorgung der Zukunft“ vom Bundesforschungsministerium mit 2,6 Millionen Euro gefördert, davon gehen 780.000 Euro an die Universität Kassel. Ziel ist es, übertragbare Lösungen für Wasserversorger in ganz Deutschland und Europa zu entwickeln.