Schwimmen, planschen, tauchen, springen. Vom Wasser getragen werden und auch erfrischt. Sich bewegen, sich erholen. In einem Becken mit vier Ecken, einem Ort mit besonderer Funktion, einem Hallenbad. Am Siegener Löhrtor ist dieser Raum, hoch und hell, ein architektonisch besonders harmonisch gestalteter. Mit klaren Linien, großen Fenstern und einer dezenten, aber umso wirkungsvolleren Farbgebung mit viel Blau und Akzenten in Gelb. Ein Geschenk, das Studierende der Universität Siegen an zwei späten Juni-Abenden die Schönheit des Löhrtor-Bads besonders unterstrichen.
„Du musst wie Wasser sein“
Das Projekt „Spiegelungen“, konzeptioniert und durchgeführt vom Studio für Neue Musik und dem Fachgebiet Raumgestaltung im Department Architektur unter künstlerischer Leitung von Sarah Bäumer und den Professoren Ulrich Exner (Architektur) und Martin Herchenröder (Musik), bespielte den Schwimmbereich des Gebäudes mit Klang und Licht. Die einstündige Performance war ein poetisches Gesamtkunstwerk. Es war zu sehen, zu hören und auch zu spüren, wie genau die Beteiligten das Vorgegebene analysiert hatten, wie sie darauf reagierten und damit ein Neues schufen. Ein Erlebnis, das sich aus der Summe des Gebotenen formte. „Spiegelungen“ war vielschichtig und vieldeutbar; es brachte ein ganzes Orchester (musikalische Leitung: Jakob Graß) an den Beckenrand.
Den Rahmen um diese meditativ angelegte Raumerkundung bildete ein Werk (Video: Sophie Tandogan, Musik: Erik Scheid), das an einem Zitat des chinesischen Philosophen Lao-Tse anknüpfte: „Du musst wie Wasser sein“ – mit Klängen irgendwo aus dem Nirgendwo, mit einem Video-Suchlauf aus Schriftzeichen und mit chorischem Gesang, der die Schwimmhalle in eine Kathedrale des Wassers zu verwandeln schien. Lao-Tses Rat, sich weit zu öffnen, zu allem zu werden, wie Wasser zu sein, sich dem Leben hinzugeben, damit die Weisheit ihren Weg zum Ich findet, wirkte wie ein Grundton. Zwischenmusiken boten Momente des Nachsinnens, erkundeten den Ort mitunter auch in der Bewegung. Sie umrundeten die Wasserfläche (mit Flöte, mit Geige), griffen das Hervorgehobene der Startblöcke auf (Fanfare der Blechbläser), machten das Unergründliche des Wassers mit perkussiven Elementen hörbar.
Dem Dazwischen der klar definierten Linienführungen dieser Sportstätte aus den 50er-Jahren galt das besondere Interesse der Studierenden und auch das, was sich hinter dem Offensichtlichen verbirgt. „Between The Lines (is Space)“ (Video: Katrin Ostretsov/Louisa Thalmann, Musik: Simon Jade) zeichnete die Höhe, Breite und Tiefe des Raumes nach, verfremdete die glatte Fläche des Wassers mit Spots und Nebel, eine Kondensation!
Kunstprojekt der Universität Siegen baut eine Brücke von Vergangenheit zu Gegenwart
Beim zweiteilig angelegten „Splash“ (Video: Julia Roggendorf/Lena Weigert, Musik: Lutz Wehnert) lief ein Film über Ruhebänke und tragende Säulen, der auf die Geschichte des Bads rekurrierte.
Dass hier Bilder aus dem Außenbereich der einstigen Sauna gezeigt wurden, machte im Nachhinein die Erläuterung durch Martin Herchenröder deutlich: „Ein verlorener Ort, mitten in Siegen!“
Mit „Splash II“ kam dann auch das Wasser selbst ins Spiel. Max Uloth vom städtischen Bäderteam hatte die Schwimmbadpumpen wieder angestellt. Da war ein Plätschern im Raum, eine ergänzende Dynamik. Alles fließt …
Magisch mutete das Gesamtkunstwerk „Schwimmer“ an. Hier verband sich eine schwimmende Skulptur im Mutter-Kind-Bereich (Installation: Charlotte Figulla), mit einem Text des Mathematikers Leonhard Euler (vom Bademeister-Häuschen über Mikrophon live gesprochen) und einer Musik über „Wellen des Lichts, Wellen des Schalls“ (Larissa Berger). Ein Beispiel für den ständigen Wechsel der Perspektiven. Es bewegte sich was in dem erst einmal statischen Raum.
„Spiegelungen“, unterstützt von Universität und Sparkasse Siegen sowie der Krombacher Brauerei, war ein Beitrag zum Stadtjubiläum „Siegen 800“. Das Projekt unterstrich die Schönheit eines Bauwerks von identitätsstiftender Kraft. Es konnte durchaus als ein Plädoyer für den Erhalt verstanden werden.